Full text: Heimatskunde der Fürstentümer Schwarzburg

geschichtliche Erinnerungen mancherlei. Seine vom herrlichsten 
Vogelfang belebten Waldungen, seine saftigen Wiesen, seine felsigen, 
steilwandigen, gewundenen Thäler mit klaren, schäumenden Bächen 
und Flüssen, seine freundlichen, gewerbethätigen Orte — das alles 
dient zu seinem Preise. „Er ist ein grünes Blatt, das sich Deutsch- 
laud zu Schmuck und Zierde an seine treu schlagende Brust ge- 
steckt hat." 
Wie ein Riesenarm streckt er sich durch die thüringer Lande 
und bildet fast auf feiner ganzen Ausdehnung die Grenze zwischen 
Franken und Thüringen. 
Kennst du den Hain, den dunklen Fichtenwald, 
Wo rings der Schlag des muntern Finken schallt, 
Die Drossel sroh auf schlankem Zweig sich wiegt, 
Das zarte Moos sich an den Ahorn schmiegt, 
Kennst du deu Wald? Dahin, dahin 
Sehnt sich mein Herz °, drum laß mich ferne ziehn. 
Kennst du das Thal, dort rollt der muntre Quell, 
Die Fluten hin, so rein und silberhell, 
Der Brunnkretz blüht an seinen Ufern auf, 
Vergißmeinnicht umkränzen seinen Lauf, 
Kennst du das Thal? Dahin, dahin, 
Zu seinem Schatten möcht' ich gerne ziehn.*) 
Wo die Selbitz bei dem reußischeu Orte Blankenstein in 
die Saale mündet, beginnt er seinen 36 bis 40 Stunden langen 
Zug in nordwestlicher Richtung bis zum Einflüsse der . Hörsel in 
die Werra. Seinem Kamm entlang, in welchem die Übergangs- 
passe geringe Einsattelungen bilden, läuft feit uralter Zeit ein 
gebahnter, meist fahrbarer Weg, der 44 Stunden lange Renn- 
stieg („Rainstieg," „Renniuuig" d. h. „Grenzweg"). Karl der 
Große soll diese wundersame Straße, die ihresgleichen wohl nirgends 
hat, als Grenzscheide zwischen Thüringen und Franken angelegt 
haben; sie läuft an der Südgrenze unserer Oberherrschaften hin 
und scheidet das Gebiet der Elbe von dem des Rheins und 
der Weser. Diese Gebiete liegen so nahe beisammen, daß das 
Wasser oft zweifelhaft ist, welchem von diesen Strömen es sich zu- 
wenden soll. Ja, der Thüringerwald ist Deutschlands Herz, das 
seine Adern, seine frischen klaren Quellen und Flüsse dem Rheine, 
der Elbe und Weser zuführt. 
Der Thüringerwald zerfällt seiner äußern Gestaltung und seiner 
innern Beschaffenheit nach in 2 Hälften, geschieden durch eine 
Linie vom Bleßberge (bei Eisfeld) nach dem Wurzelberge (bei Katz- 
Hütte). Die südöstliche Hälfte ist ein 10 bis 14 Stunden breites, 
wellenförmiges, gipfelarmes Hochland (mittlere Höhe 660 bis 750 
Meter), in welches zahlreiche enge, gewundene Thäler einschneiden; 
*) Aus „Thüringer Waldlied", dessen beide Anfangsstrophen weiter unten 
folgen. Dieses Lied, das in seinen Anklängen an das Göthe'sche: Kennst du das 
Land, wo die Zitronen blühn", erinnert, wurde von einem Musensohne des 
Waldes gedichtet. (Siehe Fleischmanns kulturhistorische Bilder, 1. Heft).
	        
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