Das portugiessische Volk. § 40.
dauerte zwar nur 60 Jahre ~ 1640 wurde Portugal mit Hilfe Englands, Frankreichs und[Hollands
unter den Braganzas wieder selbständig -, aber diese kurze Zeit hatte genügt, das Land um
seine Weltmachtstellung zu bringen. Um in Zukunft ein Gegengewicht gegen Spanien zu
haben, lehnte Portugal sich seitdem an England an, das aus diesem Verhältnisse große Vorteile
zu ziehen wußte. (Durch den sogenannten Methuenvertrag 1703 wurden die englischen Woll-
waren vom Eingangszoll befreit, was den Niedergang der portugiessischen Wollindustrie zur
Folge hatte; ferner wußten die Engländer den Handel Portugals mit seinen Kolonien in eng-
lische Hände überzuleiten; sie zogen die Ausfuhr portugiesischer Weine an sich und ließen sich
die Erträgnisse des brasilianischen Bergbaues zugute kommen.) Später wurde das Land mit
in die Napoleonischen Wirren hineingezogen. Der damalige Prinz-Regent Johann entfloh 1807
mit dem Hofe vor Napoleon nach Brasilien, von wo er erst 1821 –~ als König Johann VI. ~
zurückkehrte. Portugal wurde von den Franzosen unterworfen, mit Hilfe der Engländer aber
wieder befreit, zugleich aber auch für englische Interessen ausgebeutet. 1822 machte sich Bra-
silien frei, indem es den im Lande aufgewachsenen zweiten Sohn Johanns, Dom Pedro, zum
Kaiser ausrief. – Je trüber die auswärtigen Verhältnisse wurden, desto mehr warf sich das Volk
mit südländischer Leidenschaft auf die innere Politik. Endlose Verfassungskämpfe und Partei-
fehden besorgten den völligen Niedergang des Landes, und der eingetretene Erschöpfungs-
zustand, der. sich in mehrmaligem Staatsbankerott äußerte, dauert auch heute noch an. 1908
war die politische Erregung wieder einmal auf den Siedepunkt gestiegen. König Karlos,
der die Regierung allzusehr einem mit drakonischer Strenge vorgehenden Minister über-
lassen und auch durch engsten Anschluß an England viel Zuneigung eingebüßt hatte, endete
am 1. Februar zusammen mit dem Kronprinzen durch Meuchelmord. ~ .-
Leitlinien der portugiesischen Geschichte (Geographische Bedingtheiten): Die
besonderen natürlichen Verhältnisse lassen diesen Teil der Halbinsel bald
zu einem selbständigen Staatswesen werden. [z!? gegen den Ozean vor-
geschobene Lage (wesstlichster Teil von Festland- Europa) bewirkt, daß das
Land infolge der großen Entdeckungen die erste Handelsmacht der Welt
wird,saber die Beziehungen zu dem schlecht regierten Nachbarland schwächen
seine Macht, und das Fortschreiten der Kultur von Süd- nach Mittel- Europa
macht der Blütezeit völlig ein Ende.
j Portugal ist national wie konte]! ionell fast ganz einheitlich (römisch-katholisch). [Es ist
eine verfaslungsmäßige Monarchie, er lich in der männlichen und weiblichen Linie des Hauses
Braganza. ) Das Parlament, wie in Spanien die Cortes genannt, besteht aus der Pairskammer
(BE) und der Deputiertenkammer (Unterhaus). {Die Unbildung des Volkes ist noch größer
als in Spanien und wird nach dem Prozentsaß der Analphabeten nur noch von Serbien und
Rumiänien übertroffen (Analphabeten unter 100 Einwohnern ~ nicht Rekruten! ~ in Spanien
68, Portugal 7814, Serbien 83, Rumänien 88). ~ Die Volksdichte beträgt im Durchschnitt 56,
steigt im !iethzelen. in der lieblichen Provinz Minho, auf 160, sinkt aber im Südosten (in Alem-
tejo) auf 17. | Die Auswanderung ist bei nur 51% Millionen Einwohner fast so? groß (24 000)
wie in Deutschland bei 60 Millionen.
§ 40. (Die wirtschaftlichen Verhältnisse und der Kolonialbesitz.) Die wirtschaft-
lichen Verhältnisse sind in Portugal ziemlich dieselben wie in Spanien. Das Land ist in-
folge der durchweg reichen Niederschläge und des herrlichen gemäßigten Klimas frucht-
barer als Spanien (künstliche Bewässerungsgebiete ~ Huertas + fehlen), hat aber eben-
falls seinen Bodenbau vernachlässigt, so daß an Stelle der einstigen Getreide- Ausfuhr
eine Einfuhr getreten ist. | Das regenarme Alemtejo (die vom Guadiana durchflossene
Provinz) ist ein Gebiet dürftiger Schafweiden. | Das Meer liefert große Mengen Sar-
dinen und Thunfische, und Fische stehen als Ausfuhr-
gegenstand an vierter Stelle. | Der Bergbau_ist unbe- g Fuzsuhe 19..:
deutend (das Bergbaugebiet der spanischen Provinz Huelva 1 Milreis ~ 4.50 Mart)
—siehe Rio Tinto — greift hinüber), und den ersten Aus- Bein. . . . . 10137
suhrgegenstand bilden nicht, wie in Spanien, Erze, U ci sz41
sondern der! Wein, aber dasl Kupfer steht immerhin Ps touitgerorbtr 2068
an sechster Stelle. | Wie in Spanien ist auch die Luvfer!. L.) 408€