92 XVIII. Der Prinzenraub.
B. Der prmzenraub.
Der Ritter Kunz von Kaufungen, der dem Kurfürsten
im Bruderkriege wichtige Dienste geleistet hatte, glaubte sich für
sie nicht genügend belohnt und empfand es als bittere Kränkung,
daß ihm meißnische Güter, z. B. Schweikershain, nach der Wieder¬
einsetzung in seinen früheren Besitz wieder entzogen worden
waren; er hielt sich für berechtigt, für diese Kränkung am Kur¬
fürsten persönlich Rache zu nehmen, und beschloß, sich der jungen
Prinzen Ernst und Albert zu bemächtigen, die er als Pfand
für die Rückgabe jener Güter in Gewahrsam behalten wollte.
Mit einigen verbündeten Herren, den Rittern von Mosen
und von Schönfeld, benutzte er die Abwesenheit des Kurfürsten,
um in einer dunklen Nacht (7. Juli 1455) über eine Strickleiter
in das kurfürstliche Schloß von Altenburg einzusteigen. Die
Prinzen wurden aus ihren Betten gerissen und trotz flehentlicher
Bitten entführt. Die Schar der Räuber teilte sich; die beiden
Ritter mit dem 'Prinzen Ernst wandten sich nach dem Vogtland,
Kunz suchte den Prinzen Albert auf dem nächsten Wege über die
böhmische Grenze zu bringen.
Aber unterdessen hatte die Kunde von dem Vorfall sich ver¬
breitet; allüberall erklangen Die Sturmglocken, und sofort ward
die Verfolgung der Räuber aufgenommen. Nach wenigen Stun¬
den schon war Kunz von seinem Schicksal ereilt. Als er nach
einem scharfen Ritte, nicht mehr weit von der böhmischen Grenze,
im dichten Walde zwischen Grünhain und Schwarzenberg vom
Pferde stieg, um den halb verschmachteten Prinzen Beeren pflücken
zu lassen, kam er im Gespräch mit einem hinzukommenden Köhler
auf dem glatten Waldboden zu Falle uud konnte fich, von feiner
schweren Rüstung behindert, nicht wieder vom Boden erheben.
Da schlug ihn der Köhler, dem sich der Prinz entdeckte, mit seinem
ischür&aum vollends nieder, und die benachbarten Köhler, welche
auf ein 'Notzeichen herbeieilten, fesselten den wehrlosen Kunz, der
noch am Abend desselben Tags ins sichere Gefängnis nach Zwickau
abgeliefert wurde. Den Ort des Vorgangs bezeichnet ein Denk¬
mal über dem Fürstenbrunnen bei Schwarzenberg.
Unweit davon, in einer Höhle beim Schlosse Stein an dev
Mulde, der heutigen Prinzenhöhle, hielten die Spießgesellen
Kunzens den Prinzen Ernst versteckt. Als die Nachricht von der
Gefangennahme Kunzens sie erreichte, lieferten sie gegen die Zu¬
sicherung von Leben und Freiheit ihren Gefangenen aus, so daß
schon am 14. Juli die fürstlichen Eltern mit ihren beiden Söhnen
sich in Chemnitz vereinigen konnten.