Full text: Bilder aus der Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit bis 1648 (3 = Quarta)

92 XVIII. Der Prinzenraub. 
B. Der prmzenraub. 
Der Ritter Kunz von Kaufungen, der dem Kurfürsten 
im Bruderkriege wichtige Dienste geleistet hatte, glaubte sich für 
sie nicht genügend belohnt und empfand es als bittere Kränkung, 
daß ihm meißnische Güter, z. B. Schweikershain, nach der Wieder¬ 
einsetzung in seinen früheren Besitz wieder entzogen worden 
waren; er hielt sich für berechtigt, für diese Kränkung am Kur¬ 
fürsten persönlich Rache zu nehmen, und beschloß, sich der jungen 
Prinzen Ernst und Albert zu bemächtigen, die er als Pfand 
für die Rückgabe jener Güter in Gewahrsam behalten wollte. 
Mit einigen verbündeten Herren, den Rittern von Mosen 
und von Schönfeld, benutzte er die Abwesenheit des Kurfürsten, 
um in einer dunklen Nacht (7. Juli 1455) über eine Strickleiter 
in das kurfürstliche Schloß von Altenburg einzusteigen. Die 
Prinzen wurden aus ihren Betten gerissen und trotz flehentlicher 
Bitten entführt. Die Schar der Räuber teilte sich; die beiden 
Ritter mit dem 'Prinzen Ernst wandten sich nach dem Vogtland, 
Kunz suchte den Prinzen Albert auf dem nächsten Wege über die 
böhmische Grenze zu bringen. 
Aber unterdessen hatte die Kunde von dem Vorfall sich ver¬ 
breitet; allüberall erklangen Die Sturmglocken, und sofort ward 
die Verfolgung der Räuber aufgenommen. Nach wenigen Stun¬ 
den schon war Kunz von seinem Schicksal ereilt. Als er nach 
einem scharfen Ritte, nicht mehr weit von der böhmischen Grenze, 
im dichten Walde zwischen Grünhain und Schwarzenberg vom 
Pferde stieg, um den halb verschmachteten Prinzen Beeren pflücken 
zu lassen, kam er im Gespräch mit einem hinzukommenden Köhler 
auf dem glatten Waldboden zu Falle uud konnte fich, von feiner 
schweren Rüstung behindert, nicht wieder vom Boden erheben. 
Da schlug ihn der Köhler, dem sich der Prinz entdeckte, mit seinem 
ischür&aum vollends nieder, und die benachbarten Köhler, welche 
auf ein 'Notzeichen herbeieilten, fesselten den wehrlosen Kunz, der 
noch am Abend desselben Tags ins sichere Gefängnis nach Zwickau 
abgeliefert wurde. Den Ort des Vorgangs bezeichnet ein Denk¬ 
mal über dem Fürstenbrunnen bei Schwarzenberg. 
Unweit davon, in einer Höhle beim Schlosse Stein an dev 
Mulde, der heutigen Prinzenhöhle, hielten die Spießgesellen 
Kunzens den Prinzen Ernst versteckt. Als die Nachricht von der 
Gefangennahme Kunzens sie erreichte, lieferten sie gegen die Zu¬ 
sicherung von Leben und Freiheit ihren Gefangenen aus, so daß 
schon am 14. Juli die fürstlichen Eltern mit ihren beiden Söhnen 
sich in Chemnitz vereinigen konnten.
	        
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