Full text: Charakterbilder aus Europa (Abt. 5)

150 Die Bretagne. 
windabhaltende, schattenspendende, hohe, grüne Baumwall umgibt 
einen großen mit Obstbäumen besetzten Grasgarten. — c) Diese 
unzähligen grünen Burgen des Bauern, innerhalb deren die 
schönsten Kühe und die besten Pferde Frankreichs gedeihen, 
während die Schafe auf den hohen Plateaus am Meeresstrande 
grasen, sind wie grüne Sträuße über das ganze Land gestreut 
und unterbrechen die wohlgepflegten Wiesen und Felder. Die 
Kultur der Normaudie ist zwar einförmig; aber sie macht den 
Staat reich. 
Gedicht „Normannenzug" von Lingg. 
6. Die Bretagne. 
a) Küste, b) Brest, c) Inneres, d) Bauernhütten. 
a) Die nordwestlichste Provinz Frankreichs ist die Bretagne. 
Kühn ragt sie in den Atlantischen Ozean hinaus und bietet 
seinen Fluten Trotz. Mit furchtbarer Macht dringen sie seit 
Jahrtausenden aus die Felsen der Küste ein und, obwohl im nie 
ermüdenden Kampfe immer und immer zurückgeworfen, so ist 
ihr Angriff dennoch kein vergeblicher. Die ausgewaschenen User, 
die längs der Küste sich hinziehenden Riffe und Untiefen, die 
einzelnen Felskegel sind Zeugeu dieser ununterbrochenen und auf 
die Dauer nicht vergeblichen Kämpfe. — b) Am Westende der 
Halbinsel liegt Brest, jener große Kriegshafen Frankreichs, 
der, eine Schöpfung Richelieus, einst die Hauptstütze der Macht 
Ludwigs XIV. und Sklavenkerker war, jetzt Festung und Arsenal 
ist. Dort in dem durch ungeheure Werke befestigten und von 
Bergen umgebenen Hafen liegt die Stärke Frankreichs zur See, 
Kanonen, Schiffe, gewaltige Vorräte sind daselbst ausgehäuft. 
Durchfährt man auf leichten Barken diesen Hafen, einen langen, 
schmalen Meeresarm, so scheint es, als wollten die Felsen jeden 
Augenblick zusammenrücken und die Vorüberfahrenden zerquetschen. 
Ein enger, an beiden Seiten mit Batterien gespickter Eingang 
führt zu der Reede, welche 500 Kriegsschiffe fassen kann. An 
der Nordseite der Reede liegt stufenförmig am Abhänge eines 
Berges die Stadt Brest. So großartig auch der Gesamtanblick 
ist, so beschleicht uns doch auch ein beängstigendes Gefühl. Denn 
gerade hier, wo das dem britischen Kanal entschlüpfte Meer 
mit größter Wut auf die Felsen der Bretagne losstürmt, hat
	        
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