Full text: Bilder aus den neuen Reichslanden und aus dem südwestlichen Deutschland (Bd. 3)

Die Jakobiner von Straßburg. 167 
Befugnisse, nicht die Uuthateu, die er in revolutionärem Wahnsinn begangen, 
waren ihm zur Last gelegt worden — er war vielmehr nach Ansicht der 
Konventskommissare zu milde und nachsichtig gegen die Deutschen verfahren 
— sondern die „öffentliche Verhöhnung republikanischer Sitten" bei seinem 
Einzüge war das Vergehen, dessen er beschuldigt war. 
Am folgenden Morgen sahen die Bewohner Straßbnrgs ihren Quäler 
am Schandpfahl der Guillotine ausgestellt, und bald darauf ward er mit 
geschlossenen Füßeu nach Paris abgeführt und in demselben Gefängniß 
untergebracht, in welchem der auf seinen Antrieb verhaftete ehemalige Maire 
von Straßburg, Friedrich von Dietrich, noch des Urtheils harrte. „Woher 
kommt es, daß Dietrich und sein heftigster Gegner sich in demselben Ge- 
sängniß wiederfinden?" — schrieb Schneider aus seiner Zelle in der Abtei 
an die Pariser Jakobiner. Vielleicht, daß ihm bei dieser Frage denn doch 
einmal die Ahnung dämmerte von dem gerechten Walten der Vorsehung und 
von einem ewigen Sittengesetze! 
Am 29. Dezember beschritt Friedrich von Dietrich das Blutgerüst zu 
Paris; er war der Enkel jenes letzten Ammeisters der freien Reichsstadt, 
der die Urkunde der Uebergabe seiner Vaterstadt unterschrieben. Drei 
Monate später (1. April 1793) fiel das Haupt vou Eulogius Schneider 
unter demselben Fallbeil. 
In Straßburg wütheteu die französischen Jakobiner noch wilder als 
vorher. Unter dem Vorsitze Monet's berieth man über die Maßregeln, 
um den nationalen Geist im Departement des Niederrheins nmznschasfen. 
Zu den darauf zielenden Vorschlägen gehörte anch der einer Massenüber- 
sühruug der im Elsaß ansässigen Deutschen uach dem Innern Frankreichs 
und einer Vertheilnng ihrer Güter an die französischen Patrioten. In den 
Klubs drang man auf eine Wiederholung der Pariser Septembermordscenen 
in den Straßburger Gefängnissen, und es wurde der Antrag berathen, 
6000 Mann der elsässer Bürgerschaft ans Schiffen zum Angriff gegen 
Kehl zu befehlen, um sie mitten auf dem Rhein den Geschützen der Deutschen 
Preiszugeben uud zugleich von den französischen Batterien ans in Grund 
bohren zu laffeu. Aber der Blutbecher war bereits bis zum Ueberschäumeu 
voll. Am 9. Thermidor (27. Juli 1794) wurde die Herrschaft der Schreckens- 
männer in Paris gestürzt; infolge dessen wurden der Maire Monet seines 
Amtes entsetzt, die Gefangenen und Verdächtigen freigegeben, das Münster 
wieder dem Gottesdienste geweiht. Auch den deutschen Jakobinern im Ge- 
fängniß zu Dijou, deren Vernrtheilnng sich bis dahin verschleppt hatte, 
brachte der Sturz Robespierre's die Freiheit. 
Eiu schwerer Alp war den Straßburgeru vom Herzen genommen. 
Aber die Folgen der Revolution zitterten noch lange nach. Furcht und 
Schrecken hatten manches deutsche Gewissen eingeschüchtert, manche Familie 
aus ihrer Heimat verscheucht. Das Elsaß hatte seine Stellung als besondere 
Provinz verloren. Die beiden Departements Ober- und Niederrhein, 
welche aus demselben gebildet worden waren, standen den übrigen sran- 
zösischen Departements in Einrichtung, Verwaltung uud dergl. völlig gleich.
	        
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