Die Salburg. 59
gezogen, ohne Schwert, ohne Schmuck. In der Sänfte liegen die Reste des
fern an der Saale gestürzten Imperators Drnsns, dem das snebische Weib das
„Zurück, o Römer!" vor einem Monat drohend zugerufen hatte. Der Held, er¬
starb am Sturze vom Rosse, das nachgeführt wird, und vor dem Tode grüßte
er noch den Bruder, der von Rom den Rhein hinab über Mainz in das Un-
glückslager an der Saale Strand geeilt war. Denkt Tiberins des Bruders, oder
denkt er seines Ruhmes, den er übertreffen will, als er jetzt stolz grüßend die
zurückgebliebenen Veteranen in des Prätoriums (Feldherruwohuung) Säuleuhalle
eintritt? Die Mitte des fast 62,m langen Baues nimmt das Atrium, ein
quadratischer Hof, ein, der von korinthischen Säulen umgeben ist. Zur Rechten
liegt das Sacellum mit der Bronzestatne des Jupiter optimus maximus.
Dorthin tragen jetzt die Centnrionen der 22. Legion primigenia pia fidelis
den Leichnam des entseelten Helden, und ringsum stellen die Fahnenträger die
Adler der beiden Legionen und die Chargenzeichen auf, welche Dreizacke, Delphine,
Halbmonde darstellen. Zum letzten Male sollen die sieggewohnten Feldzeichen
den siegreichen Feldherrn grüßen!
Tranerkündend sinkt Tiberins an der hohen Leiche geschmückter Bahre
nieder, manch trotziger Krieger wischt die Zähre von der dunklen Wange.
Doch während innen der Trauer grauer Gram die Herzen drückt, tobt
draußen der männermordende Kampf um des todteu Cäfars Leiche.
Der Katten Stämme, die Mattiaken und Batten, die Lahnganer und die
Söhne des Taunus waren wie die Hyänen dem Leichenheere gefolgt. An den
Manern außerhalb des Kastells, um die Porta praetoria, entbrennt der Kampf.
Hier werfen Schwert nnd Lanze der Germanen wild anstürmende Scharen hinab
in den Graben, dort dringen der Katten Söhne mit Steinhammer und eisernen
Speeren über der Palissaden durchbrochene Reihen. Endlich erscheint Tiberins
selbst in den Reihen der Kämpfer und führt die tapferen Kohorten der Rhätier
und Viudelicier heran zum entscheidenden Vorstoße. Heulend entweichen die
Söhne der Berge in die Schatten der Wälder, die eben, der Berge Spitzen, wie
der Sonne erster Strahl vergoldet.
Und in der Saeelle tönen die Trauerlieder der Priester: Have illustris
imperator! — —
Da weckt auch uns, die wir im Rasen schlummern, des Sonnenlichtes
holder Schein.
Man muß einmal an einem frischen Morgen den prächtigen Kaiserweg
heraufwandern von Homburg, der Taunusperle, um die ganze Situation der
Salburg, dieses deutschen Pompeji, zu erfassen. Tief unten liegen Obernrsel,
Friedrichsdorf, Seulberg, Kronberg, umringend im lieblichen Kranz den von
neuen Gebäuden eingefaßten Badeort. Und dort, wo die Senke liegt zwischen
den scharf prononcirten Köpfen, dem „Grauen Berg" im Osten und dem „Liudeu-
berg" im Westen, wo über die Scheide am Pfahlgraben die Straßen ziehen nach
Oberhain und Ansbach, nach Wehrheim und Usingen, da deckt den Paß oder
vielmehr die einzige Einsattelung das Kastell, welches seine Front nach Norden
kehrt. Es war der einzige Zugang vom Kattenlande nach Süden ins reiche
Rheingau und zu den Städten am Oberrhein. Kaum eine Stelle am Rhein war
dem Römer einst wichtiger! In ihm bildet der Pfahlgraben einen spitzen Winkel
und deckt so mit seinen beiden Seiten als erste Vormauer das Werk der Welschen.