162 Das Küstenland, die Mündung der Ems und der Dollart.
andern, namentlich auch die deutsche, von hervorragendem Einfluß geworden.
— In Deutschland ist Emden die Wiege der Gesellschaft für Rettung Schiff-
brüchiger geworden. Dem Emder Beispiele folgte Hamburg und diesem
Bremen, worauf sich dann andre Küstenstädte der Nord- und Ostsee anschlössen.
Damit war aber derselbe ungünstige Weg betreten, der anfangs eine nachdrück-
liche Thätigkeit des englischen Rettungswesens verhinderte — das isolierte
Vorgehen einzelner Zentren ohne gemeinsame organisierte Vereinigung. Doch
wurde diese Gefahr bei Zeiten erkannt, und auf Anregung Bremens wurde zu
Kiel im Jahre 1865 die Deutsche Gesellschaft für Rettung Schiffbrüchiger be-
gründet, welche unter kaiserlichem Protektorat für einen einheitlichen Rettungs-
dienst von der holländischen bis zur russischen Grenze sorgt.
Die Organisation selbst ist eine außerordentlich einfache. Für die Er-
Haltungsmittel sorgen selbständig wirkende Bezirksvereine; die Verbindung unter
diesen wird durch den Gesellschaftsvorstand hergestellt, dem zugleich die För-
derung aller Interessen der Gesellschaft obliegt. Die oberste Leitung besorgt
der aus der Vertretung sämtlicher Bezirksvereine zusammengesetzte Gesellschafts-
ausfchuß. Der Gesellschaftsvorstand hat seinen dauernden Sitz und seine
Bureaus in Bremen, wo thatkräftige Männer, durchdrungen von der Bedeutung
ihrer humanen Aufgabe, mit größter Aufopferung den umfangreichen Geschäften
der Gefellschaft vorstehen. Die von Jahr zu Jahr an Bedeutung wachsenden
Resultate ihrer Thätigkeit bilden zugleich den Lohn für dieselbe, und wie groß-
artig diese Resultate find, darüber kann der Leser in den jährlich über ganz
Deutschland verbreiteten Publikationen der Gesellschaft sich leicht unterrichten;
nur das eine Hauptresultat, aus das es ja zuletzt ankommt — die Zahl der
seit Begründung des Vereins Geretteten sei hier genannt: sie beträgt bereits
über 1200 Seelen. '
Der eben geschilderten Organisation wird aber erst Leben eingehaucht
durch die Rettungsthätigkeit selbst, für welche sie die Grundlage bildet. Als
Träger aber des gesamten auszuführenden Rettungswefens erscheint die Station,
der Sammelpunkt aller helfenden geistigen und mechanischen Kräfte. Wir sagen
geistige und mechanische, denn die mechanischen Hilfsmittel würden ohne stete
und enge Verschwisterung mit dem geistigen Element ein nutzloses Material
bleiben. —
Der Natur der Sache nach ist es die Küstenbevölkerung, welcher es zu-
fällt, das lebendige Material zu liefern. Jedes aus Seegefahr gerettete
Menschenleben wird, den verfügbaren Mitteln der Gesellschaft entsprechend, der
Mannschaft des Rettungsbootes mit 20 Mark bezahlt — eine Summe, deren
Geringfügigkeit den lediglich auf Gewinn gerichteten Antrieb zur Rettung aus-
schließt; wenn demnach diese Küstenbewohner sich jetzt in bereitwilligster Weise
mit Verachtung der augenscheinlichsten Todesgefahr für das Rettungswesen zur
Verfügung stellen, so können jene 20 Mark ihr sittliches Verdienst nicht schmälern.
Freilich ist ihnen von der Gesellschaft ein technisches Material für das Rettungs-
werk in die Hände gegeben, auf das sie sich verlassen können, und es kommt
zu ihrer moralischen Unterstützung hinzu, daß sie sich in ihrem freiwilligen
Thun eins wissen mit der Nation, daß sie sich gewissermaßen als die Bevoll-
mächtigten der ihre Gaben beisteuernden binnenländischen Bevölkerung fühlen,