4 l. Allgemeines. 1. Die Formen der Erdoberfläche 
wenn der mitgenommene Proviant nicht ausreicht; und wenn man den Weg 
verloren hat, erhält der ängstliche Ruf von nirgend her eine Antwort, der 
irrende Blick sucht vergeblich umher nach Hülfe, überall nur die stumme, 
starre, ewiggleiche Wüste. Dennoch hat die Wüste, an und für sich betrachtet, 
eine eigeuthümliche, freilich mit Worten schwer zu beschreibende Größe und 
Herrlichkeit. Die außerordentliche Reinheit und Klarheit der Luft, die den 
Blick uirgends aufhält, und bei deren Einathmuug, da sie zugleich trotz aller 
Hitze von einer eigenthümlichen Frische ist, wie von selbst die Brust sich er- 
weitert; der warme, farbenreiche Ton in Licht und Beleuchtung, der, je ein- 
förmiger die Gegenstände sind, auf die er wirkt, desto schöner an sich selber 
ist; darüber der Himmel, der in ewig ungetrübtem, strahlendem Blau er- 
glänzt! die wunderbare Ruhe und Stille, die nach allen Seiten hin gelagert 
ist; der Eindruck des Unermeßlichen und Unendlichen, das ungeheure Einer- 
lei, das durch nichts bewegt, belebt, verändert wird, und das eben darum 
so zu sagen das Gepräge der Ewigkeit an sich trägt: in der Nacht der Ster- 
nenhimmel, der von einer Pracht und Klarheit ist, wie man ihn nirgendwo 
anders erblickt, und der überall Augen und Gedanken in unermeßliche Fernen 
zieht und die Erhabenheit der göttlichen Allmacht zu überwältigendem Be- 
wußtsein bringt: — es ist kaum zu sagen, wie wunderbar und ergreifend 
das Alles wirkt und wie der Eindruck davon sich bleibend dem Gemüth ein- 
prägt. Wer es aber einmal voll empfunden hat, der kann auch vollständig 
begreifen, daß der Beduine, der in der Wüste seine Heimat hat, sich nirgends 
wohl fühlt, als da, wie der echte Seemann sich nirgends recht wohl fühlt, 
als wenn er dahin fährt auf seinem Element, dem erdumwogenden Welt- 
meere. *) 
In der Wüste und an ihrer Grenze hat der Mensch andere Genüsse 
und andere Bestrebungen, als im gesegnetern Lande. Ihm ist ein schattiger 
Hain, eine grüne Wiese und ein rauschender Strom eine seltene Erscheinung, 
aber auch ein wonnigerer Anblick, als dem Bewohner glücklicherer Erdstriche. 
Wasserquellen, in anderen Gegenden ein freies Gemeingut gleich der Luft, 
sind für ihn ein kostbares Besitzthum, ein Gegenstand des Strebens und ost 
eine Ursache blutiger Kämpfe. Wandelbar, wie der Sand der Wüste, ist 
sein Wohnsitz uud sein äußeres Leben: in ihrem weiten, öden Räume gibt 
es keine Stätte des Bleibens, sondern nur Ruhepunkte des Wanderers, nur 
Reisestationen. Sein Leben ist ein bewegliches, sich stets local veränderndes 
und doch einförmiges Dasein. Wie der Schiffer an sein Fahrzeug, so ist er 
an das Thier gefesselt, das ihn selbst und seine Habe durch die weite Fläche hin¬ 
trägt : ja, es steht ihm fast näher als der Mensch, mit dem er nur schwer 
sich durch Bande des Staates und des größern geselligen Verkehrs ver- 
*) Dieser Absatz nach Moritz Lüttke, Aegyptens neueste Zeit.
	        
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