Das kulturelle Leben der Römer.
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zwei davon sind gehalten, die dritte, in der Cicero in fünf Teilen das
Material bekannt gab, ist fingiert). Als Prätor hielt er die erwähnte
Rede ,de imperio Gn. Pompeii' oder ,pro lege Manilia'. Als
Konsul deckte er im Jahre 63 die verwegenen Anschläge der Catilinarier
auf (vier Catilinarische Reden). Den Triumvirn unbequem, wurde
er im Jahre 58 verbannt, aber schon im folgenden Jahre durch Milos
Eintreten zurückgerufen, den er dann später aus Dankbarkeit in der Rede
,pro Milone' verteidigte. Von jetzt an schwankte Cicero unschlüssig zwischen
den Parteien hin und her. Um so eifriger war er als Redner und
Schriftsteller tätig. Bei dem Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Cäsar
und Pompejns trat er nach langer Unschlüssigkeit auf die Seite des letzteren.
Nach der Schlacht bei Pharsalus versöhnte er sich mit Cäsar, beteiligte sich
aber nicht mehr am Staatsleben, sondern verwandte die Zeit politischer
Muße auf die Abfassung rhetorischer und politischer Schriften. Nach Cä-
fars Ermordung trat er als Anhänger des Freistaates entschieden gegen
Antonius auf in den 14 philippischen Reden. Aber als Octavian,
auf den Cicero seine ganze Hoffnung gesetzt hatte, sich mit Antonius und
Lepidus zum zweiten Triumvirat verband, da wurde Cicero als Opfer
der Rache des Antonius geächtet und auf der Flucht getötet (43).
Cicero besaß als Mensch die schätzenswerten Eigenschaften der Sitten-
reinheit. des Edelmutes und steter Hilfsbereitschaft. Allerdings steht dem-
gegenüber eine große Eitelkeit und Ruhmredigkeit. In seinem öffentlichen
Auftreten zeigt sich eine warme Vaterlandsliebe und eine hohe Be-
geisterung für des Reiches Größe und Freiheit. Es fehlte seinem Handeln
aber die Konsequenz und der politische Scharfblick. — Manche der 56
noch erhaltenen Reden Ciceros bilden Leistungen, die den besten aller
Zeiten und Völker gleichstehen. Teils sind es politische Reden teils ge-
richtliche und zwar letztere meist Verteidigungs- und nur zum geringen
Teil Anklagereden. Das Hanptverdienst Ciceros, wie es namentlich in
den Reden zutage tritt, liegt auf sprachlichem Gebiete. Er ist Ausbilder
und Meister des lateinischen Stils. — Von den rhetorischen Schriften
Ciceros sind die wichtigsten ,de oratore', drei Bücher, iu denen er die
Bildung zum Redner, die Stoffbehandlung und Form und Vortrag der
Rede behandelt; ,Brutus sive de claris oratoribus', eine Geschichte
der römischen Beredsamkeit; ,Orator\ die Schilderung der idealen Redners.
— Von seinen 17 philosophischen Schriften sind die wichtigsten: ,de finibus
bonorum et malorum', fünf Bücher, in denen die Lehren der grie-
chischen Philosophen über das höchste Gut und Übel dargelegt werden;
,Tusculanae disputationes' in fünf Büchern eine Anwendung der
Philosophie auf das praktische Leben, die in dem Satze gipfelt, daß die
Tagend das höchste Gut sei; ,de officiis', handelnd über das Sittliche,
das Nützliche und den Widerstreit beider. Kleinere Schriften sind ,Lae-
lius' oder ,de amicitia' und ,Cato maior' oder ,de senectute'.