Full text: Der geographische Unterricht

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selligkeit, Religion und Staatsverfassung im Wechselverhältuiß des 
Grundes und Bodens, worauf das alles erwachsen und sich bewegt, 
anschaulich erkennen lassen. „Wie der eigentliche Werth, der Geist und das 
Wesen der als Wissenschaft neu geborenen Geographie darin besteht, daß 
sie die Erde als einen Wohnplatz oder vielmehr als ein Organ des Men- 
schenlebens kennen lehrt: so besteht der eigentliche, geistige Gewinn, den 
unsere Schüler aus dem geographische« Unterrichte ziehen, darin, daß sie 
das sittliche Menschenleben im Reflex des natürlichen Erd- 
lebens anschauen, eine Beobachtungsgabe für die geographischen Existenzen 
gewinnen. Dieses Ziel wird nur erreicht durch kulturgeographische Bilder, 
die auf anschaulichen! Wege die Einheit des Menschen mit der Natur uud 
die gegenseitige Abhängigkeit beider Potenzen von einander 
lehren. Das Kind kann nur dadurch eine lebendige Auschauuug des Natur- 
lebeus gewinnen, wenn es selbiges am Menschenleben messen lernt, und nur 
dadurch eine lebendige Anschauung des Menschenlebens, wenn es dies im 
Verhältuiß zum Naturleben anschaut. 
in. Schmidt giebt als Zweck und Ziel alles geographischen Unter- 
richtes an: „Keine todten Länder- und Völkernamen, noch Quadratmeilen- 
und Einwohnerzahlen, sondern ein lebendiges Bild von den Ländern und 
ihren Produkten, Einblick in die innige Durchdringung von Bodenlagen, 
Gewässern, Luft, Licht, Wärme, Pflanze, Thier uud Mensch, so daß diese 
Glieder als im innersten aneinander gebuudeu uud sich gegen- 
seitig bedingend austreten und als das Haupt des Ganzen der Meusch 
in seiner allgemeinen Menschlichkeit und in seiner nationalen Eigentümlich- 
feit, in seinem physischen und psychischen Leben, in seiner wissenschaftlichen, 
künstlerischen uud religiösen EntWickelung und in seinen staatlichen und Ver¬ 
kehrsverhältnissen erscheint."2) 
6) Daniel scheint in Betreff der Verwerthung der vergleichenden 
Erdkuude für deu Schulunterricht einen weniger entschiedenen Standpunkt 
einzunehmen. Es sei unbestritten, meint er, daß eine streng Wissenschaft- 
liche Behandlung der Geographie, wie sie z. B. auf die Lehrstühle der 
Universitäten gehöre, uur von den Prineipien der neuen Schule auszugeheu 
habe. Aber doch sei die Frage, ob die Geographie in der Schule uud im 
praktischen Leben sich in eben der Weise zu coustruireu habe, noch durchaus 
uicht mit solcher Bestimmtheit entschieden, als es von mancher Seite, oft 
mit einer gewissen ungehörigen Bornehmigkeit behauptet werde. Viele im 
Sinne der neuen Richtung gearbeitete Bücher beschwerten das Gedächtniß 
mit einer Menge von natürlichen Bestimmungen ebenso uuuöthig, wie es 
die frühere Richtung mit politisch-statistischen Notizen gethan habe. Das 
vergleichende Element der Erdbeschreibung dürfte durchaus 
uur höheren Bildungsstufen zugänglich sein. 
Gleichwohl behauptet er auch, daß gegen die hier und da auftretende 
Hartnäckigkeit des alten Prineips mit Strenge festzuhalten sei, daß der 
Unterschied der populären und praktischen Bearbeitung der Geographie gegeu 
die streng wissenschaftliche kein principieller, kein substantieller sein dürfe. 
Sich in irgend einer geographischen Darstellung des wesentlichen und köst- 
licheu Gewinnes, den die neue Schule gebracht hat, entschlagen zu wollen, 
1) A. W. Grube, der Elementar- und Nolksschulunterricht. 105. — 
2) C. Schmidt, Buch der Erziehung. 204.
	        
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