— 249 —
Erd- und Naturkunde bereichert; Sitten und Gebräuche, Künste und Wissen-
schaften fremder Völker wurden den Europäern bekannt und halfen bald mehr,
bald weniger den gesammten Bildungs- und Gesittungszustand derselben
steigern; denn „kein Cnltnrvolk steht hoch genug, daß es nicht irgend etwas
Neues selbst von sogenannten wilden Völkern sich aneignen könnte oder an-
geeignet hätte".l) Insbesondere sind mittelst der oceanischenDampfschifffahrt
die Segnungen der europäischen Cnltur und der christlichen Religion weiter
und schneller über die Erde verbreitet worden, als dies ohne dieselbe möglich
gewesen wäre.
b. Eiufluß des Meeres auf den Charakter und auf das
Leben der Seevölker.^) Das Gefühl der Freiheit und Kraft wird
in denen lebendig, die auf der See fortwährend die Stätte ihres Strebens
und Schaffens haben. Die See macht frei. Auf dem Meere fühlt der
Mensch keine beengende Schranke. Er sieht sich auf den Wogen aber auch
nur von sich selbst abhängig und wird sich seiner im Kampfe mit den Ele-
menten erstarkten Kraft bewußt. Dies Gefühl der Freiheit und Kraft durch-
dringt alle Männer des Meeres mehr oder minder. Es giebt dem Seeleben
für Viele den Hauptreiz und zieht den Seemann trotz tausendfacher Gefahren
und Entbehrungen aus den Kreisen des sicheren und geordneten Lebens
immer wieder hinaus in die wogende Flnth.
Rüstigkeit und Muth zeigen alle wahren Seevölker. Denn das
Leben zur See ist ein Leben der Kraft und des Kampfes. Auch während
einer langen Zeit des Friedens regt es fortwährend an, stahlt und stärkt es
die Seevölker und macht so dieselben den kriegerischen Nationen ähnlich. Ihr
großer Nationalstolz gegenüber den Eontinental-Völkern und die Na-
tionaleifersucht der seefahrenden Nationen unter einander mögen hierin
mit begründet sein.
Das Seeleben nährt bei denjenigen Nationen das Romantische, in
deren Stamm-Charakter es schon liegt, oder denen es sich durch Culturver-
Hältnisse und Landesnatur aufdrängt. Besonders aber erregt der Seekrieg
das Wohlgefallen am Abenteuerlichen und den poetischen Sinn mehr, als
das kriegerische Leben der Continentalen. Vgl. die Athener mit den Spar-
tanern, sowie die früheren germanischen Anwohner der Nord- und Ostsee
mit den übrigen Gliedern ihres Stammes. Es existiren unter großen Cultur-
Völkern Volkssagen von eminenter nationaler Bedeutung als die poetischen
Errungenschaften des Seelebens und des Seekrieges. (Argouautenfahrt und
Odyssee. Gudrun- und Frithjof-Sage). Doch tritt das blos commereielle
Streben eines Seevolkes dieser Seite hemmend entgegen. Vgl. die Phönizier,
Holländer und Nordamerikaner.
Das Meer regt die intelleetuellen Kräfte der Seevölker an, ent-
wickelt und schärft sie, macht erfinderisch, berechnend u. s. w. So trägt es
zur Bildung der Nationen bei. Aber es veredelt weniger den innern Menschen,
zeigt sich vielmehr der moralischen und höheren intelleetuellen Ausbildung
nachtheilig. Plato und Strabo schon nannten darum das Meer einen Laster-
lehr er, der die Menschen schlechter mache und in ihnen Krämerschlanheit,
Treulosigkeit und Verschmitztheit erzeuge.
Aber auch auf die mehr äußeren Zustände der Seevölker macht das Meer
seinen Einfluß geltend. Unmittelbar an der Küste ist der Mensch ebenso dem
1) Peschel, Völkerk. 549. — 2) Kriegk, Schriften z. allgem. Erdk. 252—256.