283 
Da siehe! Dicht hinter dem Spiegel fliegt und schwebt eine düstere 
Schar heran. Wohl zehn bis fünfzehn kleine dunkle Vögelchen fliegen 
in der Furche, welche das stöhnende Gebäude einen Augenblick lang in 
seiner krystallflüssigen Bahn zurückließ. „Mutter Careys Hühnchen!" 
ruft fast entsetzt der Steuermann — und alle Matrosen blicken wie 
zagend rückwärts. Es ist wirklich märchenhaft, wie sie sich zeigen. Sie 
laufen scheinbar auf den Wellen, und wirklich berühren sie diese mit den 
Füßen. Kaum bemerkt man die Bewegung der kleinen, für sie 
aber gewaltigen Schwingen; es sieht aus, als trügen sie dieselben 
bloß ausgebreitet, um den Körper im Gleichgewichte zu erhalten. Hart 
über die Wellen gleiten sie dahin; wie diese senken und steigen, 
fallen und erheben sie sich. Das sind die Sturmvögel, die wahren 
Kinder des Meeres, auch Petersvögel genannt, weil sie über die 
Wellen laufen, wie einstens Petrus zum Schiffe seines Meisters. Man 
kennt sie in allen Meeren; jeder Seemann hat sie gesehen, und jeder 
weiß etwas von ihnen zu erzählen. Noch heute hat das Schiffsvolk 
einen alten Aberglauben nicht überwinden können, und jeder Reisende wird 
von ihm mit grollenden Blicken angesehen, wenn er versuchen will, eins 
dieser Tierchen zu erlegen. In ihren Bewegungen liegt ein so großer 
Zauber, so viel Dichtung, daß selbst der rohe Matrose ergriffen wird. 
„Geister der im Meer Begrabenen" nennt sie seine Sage, und Geister 
scheinen sie wirklich zu sein; denn geisterhaft ist ihr Erscheinen und ihr 
Gang auf den Wellen. 
Doch die sonst so freundliche Sage ist ihnen nicht günstig. Außer 
den genannten Namen führen sie noch viele andere von mehr oder weniger 
übler Bedeutung. Schon der Name „Sturmvogel" deutet im Sinne des 
Seemanns auf nichts Gutes hin. Sie, die kleinen, überaus zierlichen 
Gestalten, deren Flug und Gang unbeschreiblich reizend ist, sollen den 
menschenfeindlichen Sturm heraufbeschwören und durch ihn das Meer zu 
einer Wasserwüste machen, in welcher der schwache Mensch dem Schicksal 
unterliegen und elend verderben muß; sie sollen als Abgesandte der Hölle, 
als „Teufelsvögel" erscheinen, um über den Leichen der Verunglückten 
zu schweben. Niemand, sagen die Schiffer, kann angeben, woher sie 
kommen, wie sie leben oder wie sie brüten, obgleich unsere Alten erzählen, 
daß sie, auf den Wellen sitzend, ihre Eier unter den Flügeln ausbrüten 
und ihre Jungen sofort mit sich nehmen; doch keiner kennt die Wahrheit. 
Nur eins ist sicher: sie verkünden nicht nur, sondern sie bringen den 
Sturm, sie beschwören ihn. 
Thörichter Wahn! Die menschenfreundlichen, vertrauensvollen und 
harmlosen Tierchen zeigen sich auch, wenn nur mäßiger, dem Schiffe
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.