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eine weite Reise vor mir. Von Zwickau aus wandere ich über Lichten¬
stein nach Chemnitz, in die Stadt der tausend Essen. Hier begegne ich
meiner Schwester, die auch so alt ist wie ich, aber noch viel weiter zu
reisen hat. Sie hat mir einmal erzählt, daß sie von der wilden Nordsee
her komme und in das schöne, sonnige Italien wandere. Ich wende mich
nun der alten Silberstadt Freiberg zu. Doch in dem Rauch der Hütten
und Schächte gefällt mir's dort nicht lange. Bald trete ich in den
Plauenschen Grund mit seinen frischen, grünen Laubwäldern ein. Es
dauert nicht allzulange, da bekomme ich das Schönste meiner Reise zu
sehen, die prächtige Residenzstadt Dresden. Wenn ich mir den breiten
Elbstrom, die herrlichen Gebäude, die großen, herrlichen Anlagen und die
feingeputzten Menschen angeschaut habe, nehme ich Abschied und wandere
an harzreichen Kiefernwäldern vorüber in die lieblichen Gefilde der Lausitz.
Dann verlasse ich die Marken deines Vaterlandes."
II.
„So habe ich auf meiner Wanderschaft dein ganzes, schönes Heimat¬
land gesehen. Aber wie ist es doch so anders geworden seit meinen
Jugendtagen! Zu jener Zeit waren die Berge und Ebenen noch mit
einem tiefen, undurchdringlichen Walde bedeckt. Um mich rauschten fürst¬
liche Tannen und hochragende Fichten. Sage an, lieber Wanderer, wo
sind sie hin? Nur oben, am Abhange des Windberges, hat sich noch
ein Rest der alten Waldherrlichkeit erhalten. Damals herrschte tiefste
Stille um mich her. Manchmal huschte das scheue Reh oder der gierige
Wolf durch das dichte Gestämme der Bäume. — Da dröhnten eines
Morgens laute Schläge durch die Stille des Hochwaldes. Hunderte von
geschäftigen Wesen brachten mit scharfen Äxten und Sägen die alten
Baumriesen zu Fall. Bald war ein breiter Waldpfad entstanden. —
Menschen waren es, die das getan hatten, Menschen mit kräftigen
Muskeln und tiefschwarzen Haaren. Dort, wo jetzt Zwickau steht, hatten
sie sich ein kleines Dorf angelegt. Aus ihren niedrigen Lehmhütten
brachten sie zu manchen Zeiten große Leinwandrollen und andere Web¬
waren, die durch ihren Hausfleiß entstanden waren. Diese luden sie auf
ihre unbeholfenen, hölzernen Wagen und fuhren damit in das obere
Vogtland und nach Bayern. Wenn aber in den Herbsttagen endloser
Regen auf den Weg niederrauschte, da blieben sie wohl auch manchmal
mit ihren Wagen in dem sumpfigen Waldpfade stecken. Doch die Menschen
sind klug und wissen sich zu helfen. Aus den riesigen Baumstämmen,
die sie gefällt hatten, fertigten sie sich breite Holzknüppel und legten sie
auf die Waldstraße, damit sie immer fahrbar bleiben sollte.
Hunderte von Jahren vergingen. Da trat plötzlich eine Änderung
der Dinge ein. Eines Tages hörte ich in der Ferne Pferdegetrappel.
Näher und näher kam der Lärm. Reiter mit blanken Rüstungen und
blitzenden Schwertern kamen herangesprengt. Ihre blonden Haare flatterten