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Wenn das nicht hilft, so kommt der Feuerschwamm an die Reihe oder
ein alter, schmutziger Waschschwamm, der in die Wunde hineingepreßt wird.
Nicht selten aber sind Leute da, welche gehört oder gesehen haben, daß man
durch Druck jede Blutung stillen könne. Wo und wie aber dieser Druck an—
zuwenden sei, das haben sie niemals gelernt, und so wird oft ein Druck an
der unrichtigen Stelle und in der unzweckmäßigsten Weise angebracht, so daß
er die Blutung nur noch verschlimmert, statt sie zu hemmen.
Mit jedem Jahre mehren sich aber die Fälle, in denen es Nichtärzten,
die den Samariterunterricht genossen, gelungen ist, durch zweckmäßig an⸗
gebrachten Druck den Verblutungstod zu verhüten.
Als Beispiel erzähle ich das folgende Ereignis, welches ein Arzt kürzlich
mitteilte:
In einer Holzbearbeitungsfabrik, die in nächster Nähe einer großen
Stadt viele Arbeiter beschäftigt, hatte einer derselben das Unglück, mit seiner
rechten Hand einer Kreissäge zu nahe zu kommen, welche sich mit rasender
Geschwindigkeit um ihre Achse drehte. Im Nu wurde der Vorderarm dicht
oberhalb des Handgelenkes samt dem Knochen so durchsägt, daß die Hand
nur noch an dem Hautlappen hing. Aus zwei Pulsadern des Vorderarmes
spritzte das rote Blut in weitem Strahl. Man schrie nach Hilfe; einige
liefen zum Arzt, aber der wohnte weit entfernt, war auch nicht zu finden
und traf erst nach einer Stunde ein. Zum Glück befand sich ein Arbeiter,
der an dem Samariterunterricht teilgenommen, in dem Maschinenraum, und
da er seit jenem Unterricht den von Esmarch angegebenen Hosenträger trug,
so nahm er ihn schleunigst ab, befreite ihn von seinen Schnallen und legte
ihn, wie er es gelernt und geübt hatte, so fest um den Oberarm, daß die
Blutung sofort gestillt wurde. Dann hüllte er die verletzte Hand in eine
reine Serviette ein, die er mit schwacher Karbollösung befeuchtet hatte, und
lagerte den Verwundeten, der ohnmächtig geworden war, zweckmäßig auf eine
schnell herbeigeschaffte Matratze. Als nach einer Stunde der Arzt anlangte
und den Verband und die Serviette abnahm, suchte er zunächst die beiden
Pulsadern in der Wunde auf, um sie zu unterbinden. Da sich dieselben
aber zurückgezogen hatten, so löste er den Gurt, mußte ihn aber sogleich
wieder umlegen, da das Blut aus beiden Adern mit großer Gewalt hervor—
spritzte. Er fand nun leicht die durchschnittenen Adern, unterband sie, nähte
die getrennten Sehnen und Nerven aneinander und legte einen antiseptischen
Verband an, wobei ihm der Samariterarbeiter ganz geschickte Hilfe leistete.
Die Heilung der schweren Wunde erfolgte ohne Eiterung, und es ist zu
hoffen, daß der Verunglückte eine brauchbare Hand behalten wird. Wäre
nicht ein geschulter Helfer in der Nähe gewesen, so würde höchstwahrscheinlich
der Verwundete sich vor Ankunft des Arztes verblutet haben.
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