Aus der Einleitung zur „Erdkunde usw." 29 
Herzensbedürfnis ist, das um die gleichförmige, hoffnungsarme 
Mittagsstunde schon jeden Tag wieder verschwindet, so scheinen 
aus ähnlichem Grunde alle Völker des Sudans in dem ruhigen 
Besitze des hellen Mittags nur an die Gegenwart gefesselt zu 
sein, die keine Sage des grauen Altertums verschönert, keine 
Sorge für die Zukunft quält und keine Hoffnung für sie auf 
den Flügeln der Phantasie in die Unendlichkeit trägt. 
Dort aber, wo kein täglicher Auf- und Niedergang ist, 
wo nicht, wie da im Lüden, ein heller, warmer Mittag in 
behagliche Ruhe versenkt, oder die Hitze zur brennenden Leiden- 
fchaft aufregt, dort lagert sich unter dem Polarstern rund um 
den eisigen Pol in weiter, flacher, vielfach durchschnittener 
Scheibe der Norden der Erde an und erinnert an das Gebiet 
der Nacht, die mit allem ihrem Dunkel wie mit ihrem Glänze 
hier die Welt wie die Phantasie des Menschen füllt und 
schmückt. Hier verschwindet gleichsam der Tag mit allem 
seinen begleitenden, bunten Gefolge ganz und erscheint nur 
auf eine Zeitlang als das größte Meteor der langen Nacht. 
Auf ähnliche Art wiederholt sich dasselbe kosmische Gesetz 
auf der lvesthälfte des Erdballs, im weiten ozeanischen Gebiete 
der Neuen lvelt, nur doch wieder ganz anders gestaltet. Das 
lvasser als Element auf der Erde verwischt überall die In- 
dividualität, und so treten dort schon im Ganzen der Erd- 
formen nicht nur minder scharfe, sondern auch weniger Gegen- 
sätze hervor, und die ganze Masse des Kontinents fällt dort 
mehr in eine uniforme Gruppe zusammen.
	        
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