Full text: Charakterbilder aus der Völkerkunde (Abt. 3)

Ägypter. 25 
ihm sehr entbehrlicher Aufwand. Dagegen findet sich ein ganz 
eigentümliches Gerät vor: Es ist ein aus Nilschlamm gekneteter 
großer Schrank von eigentümlicher Form, der mit einer Thür 
versehen ist, die verriegelt werden kann. Dieser Schrank ent- 
hält alle Kostbarkeiten, Kleidungsstücke, Reliquien und selbst 
Lebensmittel, wenn die Zeiten so schlecht sind, daß ein Durrah- 
kucheu eine Leckerei wird. Außen vor der Hütte sieht man auch 
einen kleinen Backofen und in der Asche einige Steine liegen. 
Holz hat der Fellach nicht; sein Weib und seine Kinder sammeln 
eifrig den Dünger der Rinder, Pferde. Esel und Kameele, 
mischen ihn mit geschnittenem Stroh und Wasser zu einem Brei, 
bilden daraus dünne Kuchen und trocknen sie an der Sonne. 
Mit der Familie wohnen nächtlicher Weile in dem Räume 
Hühner. Gänse und Ziegen; nur der Esel bleibt die Nacht über 
im Freien, weil er zu hoch ist, als daß er durch die Thür 
könnte. Bei Tage ist die Wohnung vollständig leer, und alle 
ihre Bewohner — vierbeinige und zweibeinige — halten sich 
im Freien auf. Nur in den größeren Dörfern findet man eine 
Moschee mit kleinem Minaret, aber auch aus Lehm erbaut. Bei 
den meisten Dörfern ist ein Wasserplatz, wo Gänse, Enten und 
Büffel sich gütlich thun und nackte Kinder sich im Schlamme 
wälzen. Millionen von Fliegen belästigen die Dörfer und be- 
decken oft förmlich die Augenlieder der Kinder, daß diese dadurch 
und durch die Unreinlichkeit häufig ein Auge verlieren. Nirgends 
sieht man daher mehr Blinde und Einäugige als in Ägypten 
und besonders in den Dörfern. Die Fellachen sind gewöhnlich 
so arm, daß sie nur zweimal im Jahre, an den hohen Fest- 
tagen, Fleisch essen, sonst sind rohe Zwiebeln uud schlechtes 
Brot jahrein jahraus fast die einzigen Nahrungsmittel. Glücklich 
schätzt sich, wer zuweilen etwas saure Milch, Käse, Honig und 
Datteln haben kann. Der ägyptische Bauer ist namentlich in 
den jüngeren Jahren erstaunlich gelehrig, klng und rührig. Er 
pflügt und erntet, er arbeitet und erwirbt, aber der gewonnene 
Piaster bleibt selten sein Eigentum. So wird sein Charakter 
der Sinnesart eines begabten, aber mit Härte und Selbstsucht 
erzogenen Kindes ähnlich, welches, sobald es heranwächst, be- 
greifen muß, daß es ausgebeutet wird. Eigensinn und Verstockt- 
heit verdrängen die unbefangene Heiterkeit der Kindesseele, und 
wie zur Zeit des Ammianus Marcellinus läßt sich noch heute 
der Fellach von Schlägen, deren er sich oft zu rühmen pflegt,
	        
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