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anderen. „Ich möchte wohl wissen", sagte ein Freund, „warum du gerade
diesen Knaben, der doch keinen einzigen Empfehlungsbries hatte, bevor¬
zugtest?" — „Du irrst", lautete die Antwort, „dieser Knabe hat viele
Empfehlungen. Er putzte seine Füße ab, ehe er ins Zimmer trat, und
machte die Thür zu; er ist daher sorgfältig. Er gab ohne Besinnen seinen
Stuhl jenem alten lahmen Manne, was seine Herzensgüte und Auf¬
merksamkeit zeigt. Er nahm seine Mühe ab, als er hereinkam, und ant¬
wortete auf meine Frage schnell und sicher; er ist also höflich und hat
Manieren. Er hob das Buch auf, welches ich absichtlich auf den Boden
gelegt hatte, während alle übrigen dasselbe zur Seite stießen oder darüber
stolperten. Er wartete ruhig und drängte sich nicht heran, — ein gutes
Zeugnis für sein anständiges Benehmen. Ich bemerkte ferner, daß sein
Rock gut ausgebürstet und seine Hände und sein Gesicht rein waren.
Nennst du dies alles keinen Empfehlungsbrief? Ich gebe mehr darauf,
was ich von einem Menschen weiß, nachdem ich ihn zehn Minuten lang
gesehen, als auf das, was in schön klingenden Empfehlungsbriefen ge¬
schrieben steht." Magdeburger Zeitung.
4. Lrisch gewagt, ist halb gewonnen.
Daraus folgt: „irisch gewagt, ist auch halb verloren." Das kann nicht fehlen.
Deswegen sagt Ulan auch: „Magen gewimU, Magen verliert." 1l)as mufz also den
2lusschlag geben? Prüfung, ob man die Kräfte habe zu dem, was man wagen
will; Überlegung, wie es anzufangen fei! Benützung der günstigen Zeit und Um¬
stände, und hintcnnach, wenn man fein mutiges 2l gesagt hat, ein besonnenes B
und fein bescheidenes (L. Aber so viel muß wahr bleiben: wenn etwas Gewagtes
soll unternommen werden und kann nicht anders sein, so ist ein frischer Mut zur
Lache der Meister, und der muß dich durchreißen. Aber wenn du immer willst
und fängst nie an, oder du hast schon angefangen, und es reut dich wieder und
willst, wie man sagt, auf dem trocknen Lande ertrinken, guter Lreund, dann ist
„schlecht gewagt, ganz verloren." i. p. Sebel,
5. Das Glück durch die Gelbwurst.
Der alte Tuchfabrikant Keller pflegte gern folgende Geschichte zu
erzählen: Ich war erst kurze Zeit aus der Fremde zurück und hatte mein
eigenes kleines Geschäft angefangen. Da war die Leipziger Ostermesse,
und ich reise hin und nehme einen Kreditbrief von 1000 Speciesthalern
mit. Das war, wenn man alle Winkelchen zusammellkehrt, mein ganzes
Vermögen; ich war aber jung und gesund, und was glaubt man da nicht