Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte

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B. Die griechische Welt. 
Tyrannen bekannten Oligarchen, mit dem talentvollen aber leiden¬ 
schaftlichen Critias an der Spitze, wütheten mit Mord und Ver¬ 
bannung gegen die Demokraten und brachten in Kurzem den Staat 
an den Rand des Untergangs, bis Thrasybülus mit den Flüchtigen 
und Verbannten vom Piraeus aus gegen sie zog. Critias fiel im 
Kampf; die übrigen geriethen durch Verrath in die Hände der Sieger, 
die sie tödteten, die demokrat. Verfassung in Athen wieder herstellten 
und durch Ertheilung einer Amnestie Ordnung und Ruhe dem ge¬ 
schwächten Staat zurückgaben. 
4. Prosa-Literatur der Griechen, 
a) Philosophie. Sokrates. Plato. Aristoteles. 
§. 79. Durch den pelop. Krieg arteten die Sitten der Griechen aus. 
Habgier und Selbstsucht erstickten die edlcrn Empfindungen; Weltklugheit 
und Lebensgenuß wurden als die höchsten Güter angesehen und an die 
Stelle der Religion und des sittlichen Gefühls trat eine auf Lug und 
Trug gegründete Philosophie. Unter feiner Bildung war oft ein hartes 
und grausames Herz versteckt und der Witz, den man ,,attisch es Salz" 
nannte, schützte nicht gegen Roheit des Gemüths und gegen moralische 
Entartung. Dieses Sittenverderbniß wurde besonders durch die Sophisten 
herbeigeführt, die eine auf Spitzfindigkeiten und Trugschlüssen beruhende 
Weisheit zu Markte trugen und sich anheischig machten, durch Redekünste 
und Disputirkniffe Lüge als Wahrheit hinzustellen und Wahrheit in Irr¬ 
thum zu verkehren. Diese Sophisten, besonders Gorgias, Protagoras 
u. a., leckten reiche Jünglinge an sich und brachten ihnen gegen große 
Belohnungen diese Afterwcisheit bei, durch die der Staat dem Ruin ent¬ 
gegen ging. Da trat Sokrates ein athcn. Bürger auf, entlarvte die 
sophistischen Marktschreier und weckte das Gefühl für Religion, Sittlichkeit 
und Recht in der Brust seiner Schüler. Nicht in kunstreichen Vorträgen 
vom Katheder herab, sondern durch Fragen und Antworten auf offener 
Straße in der freien Natur oder in den Werkstätten der Handwerker 
lehrte Sokrates seine Lebensweisheit, deren Ziel das: ,,Erkenne dich 
selbst" war. Vor seinem hellen Verstände, vor seinem rechtschaffenen Le¬ 
ben und vor seiner sittlichen Würde verstummten die Sophisten und die 
reichsten und talentvollsten Jünglinge, wie Alcibiades, Kritias u. a. 
schlossen sich ihm an. Dies verdroß die eitcln, selbstsüchtigen Sophisten 
und sie reichten eine Klage wider ihn ein, daß er die Jugend verführe 
und falsche Götter lehre. In einer einfachen Vcrtheidigungsrede (Apologie): 
bewies Sokrates vor den He liaste» die Falschheit der Anklage. Aber 
statt, wie gewöhnlich geschah, mit Flehen und Wehklagen seine Lossprechung 
zu erbitten, schloß er seine Rechtfertigungsrede mit der Versicherung, daß 
er verdient habe, an den öffentlichen Mahlzeiten im Prytaue um (wo die 
Prytanen (§. 54), die olympischen Sieger und andere verdiente Männer auf 
Staatskosten erhalten wurden) Theil zu nehmen. Dies verdroß die Richter,
	        
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