Full text: Bilder aus der schleswig-holsteinischen Geschichte

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störungslust übt es wieder eine sanfte und wohlthuende Schöpfung. Die von 
den Resten untergegangenen Landes thonschwangere Woge hat allgemach wie¬ 
der ein besseres Land als das zerstörte zurückgegeben und die fruchtbare 
Marschküste geschaffen. Tagtäglich mehrt die Fluthwelle auf der Westseite 
das Land in Dithmarschen, während sie die Halligen verschlingt. Es ist dieß 
kaum eine Zerstörung mehr, es ist bloß ein Landverarbeitungs- und Verede- 
lungsproceß des Meeres, eine eigenthümliche Art Düngung, eine großartige 
Bewirtschaftung der Westküste. Leise und kriechend schleichen sich Pflanzen 
auf den in dünnen Schichten sich erhebenden Schlamm, nieten ihn fest und 
strecken, namentlich der Queller, ihre schützenden Arme über ihn aus, bis 
endlich der weiße Klee hervorsprießt und anzeigt, daß die Hand des Men¬ 
schen hinzutreten und durch den Deich, den das Sprichwort ein goldenes 
Band nennt, den so gewonnenen Meeresboden für immer an das Land ket¬ 
ten darf. 
Aehnlich hat in grauer Vorzeit die Elbe, durch welche die cimbrische 
Halbinsel von dem übrigen Deutschland geschieden wird, an ihren Ufern die 
Marschen — die Haseldorfer-, die Wilster- und Krempermarsch — gebildet. 
Sie spülte die fruchtbare Thonerde vom Riesen- und Erzgebirge herab, über- 
fluthete mit ihren thonschwangern Wogen das niedrige Uferland an ihrer 
Mündung und erhöhte und befruchtete mit ihrem Schlamm die ausgedehnte 
Küste, bis der Mensch dieselbe durch Deiche vor wiederholter Ueberschwem- 
mung sicherte. 
So muß denn von Wedel bis Hoher ein Wall von Erde und Rasen, 
oder, an besonders stark bedrohten Stellen, von Felsen, Erde, Holz- und 
Buschwerk, höchstens von 80—100 Fuß Breite und 20—25 Fuß Höhe das 
vernichtende Element in Schranken halten und die Grenze zweier Welten 
bilden. Hier strecken sich die blanken Rinderschaaren ins schwellende Grün, 
hier steht das Haus des Menschen, umringt von Glück und Wohlstand; dort 
blähen sich die weißen Segel der Schiffe, der Tümmler wälzt sich vor ihnen 
her und schreiende Möven beleben den Strand. 
2. Die Cimbern und Teutonen. 
Im Alterthum wohnten aus dieser merkwürdigen Halbinsel, wie man 
meint, die Cimbern und Teutonen, welche hundert Jahre vor Christi Geburt 
den Römern so große Angst machten. Es waren Riesengeschlechter, die bei 
Krieg und Jagd ihre Nerven stark, ihr Blut rein und ihren Sinn frei 
erhielten, indeß das römische Volk sich durch Wollüste entnervte und aus 
Geiz die Sklavenfesseln verwegener Anführer willig trug. Die römischen 
Schriftsteller beschreiben sie als starke Männer von hohem Wuchs, stolzem 
Blick, großen blauen Augen und langem, goldgelbem Haare, welche große 
Schwerter führten und zur Verwüstung der Länder und Städte gleichsam 
gemacht waren. Besonders erzählen sie von dem Heerführer der Teutonen, 
Tentoboch, der sieben Fuß lang und so kräftig war, daß er mit Leichtigkeit 
über 4—6 Pferde hinweg springen konnte. 
Durch eine furchtbare Ueberschwemmung zur Auswanderung gezwun¬ 
gen, brachen diese wilden Gesellen mit Weib und Kind nach Süden auf. Wie 
Nomaden wanderten sie nur im Sommer. Völker, die ihnen den Durchzug
	        
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