370 Die Römer während der Ausbildung ihrer Staatsverfassung
indem es auf die Persönlichkeit Gottes, auf die Nothwendigkeit und
Wirksamkeit göttlicher Gnade, auf Unsterblichkeit und persönliche Fort¬
dauer der menschlichen Seele sowie auf jenseitige Vergeltung hinweist.
Wie also griechische Gelehrsamkeit und Dichtung über Aegypten ihren
Weg nach Nom findet, so reicht die griechische Philosophie nach Aegyp¬
ten, die zweite Heimath des Judenthums, hinüber, um an einer Fort¬
bildung der mosaischen Lehre mitzuarbeiten, wodurch dieses seit dem
grauen Alterthum von den Freunden der Weisheit angestaunte Land
auch noch über die Zeiten des griechisch-römischen Heidenthums hinaus
ein Hauptfitz wissenschaftlicher Bemühungen bleibt und sich den Rang,
den es im Heidenthum gehabt, auch für die Zeit des aufblühenden
Christenthums sichert.
XVIII.
Die Römer während der Ausbildung ihrer Staatsver-
fassung und der Unterwerfung Italiens.
1. Von der Zeit, wo Noms Macht den Staaten des Ostens be¬
schränkend gegenüber tritt, um durch allmälig gestärkten Einfluß eine
Herrschaft über deren Länder vorzubereiten, kehrt die Geschichte in die
Zeit zurück, wo Nom den Weg begann, der es zur Herrschaft über alle
das Mittelmeer umgebenden Länder führen sollte. Während in Grie¬
chenland der mächtigste Trieb waltete, ein selbstständiges und eigenthüm-
liches Leben in kleinen Kreisen zu entwickeln und während selbst dann,
als das Griechenthum von einer ihm ursprünglich fremden Kraft in die
Länder des ungriechischen Ostens geleitet wurde, in der Heimath die
Zersplitterung nicht zu überwinden war, wuchs Nom von dem kleinsten
Ursprünge ausgehend indem es in seinen Staatsverband immer mehr
Völker aufnahm, allmälig zu einer Macht heran, die an Ausdehnung
und Dauer nicht ihres Gleichen hatte. An den Kern des Staates setzt
sich in regelmäßigem Fortschritte Neues an und je enger sich die zuerst
angeschlossenen Bestandtheile mit dem Kerne vereinigen, in desto größe¬
ren Kreisen wirkt die anziehende Kraft. So ergibt sich, indem die von
Anfang an wirksamen Grundsätze eine immer weitere Anwendung ge¬
winnen, für Jahrhunderte ein Fortbilden, in welchem sich der Staat
immer von Neuem erfrischt. Auf diesem Wege wurde die Verbindung
der Theile eine engere und festere als bei irgend einem der gleichzeitig
oder vorher entstandenen. Die neu hinzutretenden Bestandtheile fanden
für ihr Fortleben in dem Ganzen jedesmal eine feste, schon bewährte
Form vor, in die sie sich fügten und in der sie von dem bisher ent-