Full text: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der neuern und neuesten Geschichte] (Theil 4)

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und sprach: „ja Herr Wirth, ihr wollt mich gern satzen (vexiren, 
necken) und mein Begierd mit des Luther's Wohn ersettigen." Ant¬ 
wortet er: er ist's gewüßlich; doch thut nit dergleichen, ob du 
ihn dafür hältst und bekennst." Ich ließ dem Wirth recht, könnt 
es aber nit glauben und ging wieder in die Stuben, setzt mich zu 
dem Tisch, het es auch meinem Gesellen gern gesagt, was mir 
der Wirth eröffnet hat. Ich wandte mich darumb gegen die Thür 
und gegen ihn, runet heimlich: „der Wirth hat mir gesagt, der sei 
der Luther." Er wollt es auch, wie ich, nit glauben und sprach: 
„Er hat vielleicht gesagt, es sey der Hutten und hast ihn nicht 
recht verstanden." Dieweil mich nun die reuterische Kleidung an 
den Hutten, dann an den Luther, als an einen Monachen 
(Mönch) vermahnt, ließ ich mich also bereden, der Wirth hette 
gesprochen: es ist der Hutten: denn der Anfang beider Namen 
schier zusammenklingen. Derhalben was ich redet, geschah, als 
wenn ich mit Herrn Ulrich ab Hutten redet. 
Indem kamen zween der Kauffleute, die auch allda übernachten 
wollten, und nachdem sie sich entledigt und entsporret, leget einer 
neben sich ein ungebunden Büchlein. Fraget Martin, was es für 
ein Buch wäre? Sprach er: „Es ist Doctor Luther's Auslegung 
etlicher Evangelien und Episteln, erst neu gedruckt und ausgegangen, 
hante ihr sie nie gesehen?" Sprach Martin: „Sie sollen mir 
auch bald werden." Da sprach der Wirth: „Nun fügend euch zu 
Tisch, wir wollen essen." Wir aber sprachen und bathen den 
Wirth, er wolle sich mit uns leiden und uns etwas besonders ge¬ 
ben. Sprach der Wirth: „Lieben Gesellen, setzend euch nun zu 
dem Herrn an den Tisch, ich will euch ziemlich halten." Da es 
Martinus hört, sprach er: ,,kommt herzu, ich will die Zehrung 
mit dem Wirth wohl abtragen." 
Unter dem Essen that Martinus viel gottselige freundtliche Re¬ 
den , das die Kaufleute und mir an ihm verstundend, und mehr 
sein Worten, dann aller Speisen vernahmen, unter welchen er sich 
mit einem Seufzer erklagt: wie nämlich jezzumahlen die Fürsten 
und Herren auf dem Reichstag zu Nürnberg, wegen Gottes Wort, 
dieser schwebenden Hendel und Beschwerungen halben teutscher Na¬ 
tion versammelt weren; aber nichts mehr auszurichten geneigt, dann 
gute Zeit mit köstlichen Turnieren, Schlitten, Unzuchten, Hoffart
	        
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