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und Schrecken; schaarenweis wandertcn die jungen Leute cutß und
entvölkerten das Land auf eine merkliche Weise. Man setzte die¬
sem neue Schrecken entgegen. Es wurde ein Edict von allen
Kanzeln verlesen: die Ausgewanderten sollten in drei Monaten
wiedcrkehren, die Ungehorsamen würde man als Verbrecher ver¬
folgen rc. — Wer mag sich wundern, wenn sich Preußens Ein¬
wohner zu Sklaven hcrabgewürdigt fühlten und sich nur sehr
schwer an diese Sklaverei gewöhnen konnten; wenn Fremde Be¬
denken trugen, sich in den preußischen Staaten nicdcrzulaffcn;
wenn allen Ausländern das preußische Land als ein großes Ge-
fangniss, und Preußens König als der härteste Despot erschien^)?
Sehr natürlich glaubte man, der Besitzer einer solchen Kriegs¬
macht werde auch geneigt seyn, sein Heldenglück zu versuchen.
Aber hierin irrte man sich. Friedrich Wilhelm pflegte Alles
nach Gewinn und Verlust zu berechnen, wagte nie etwas auf
gut Glück, sondern ging immer auf das Sichere. Auch an dem
Kriege gegen Schweden würde er keinen Antheil genommen ha¬
ben, wenn er nicht theils durch die Umstände gedrungen worden
wäre, theils auf das entschiedene Uebcrgewicht und die Unter¬
stützung des Czarö und der andern Mächte hätte rechnen und also
eines glücklichen Ausganges vollkommen gewiß seyn können. —
Das Manusacturwescn fand der König beim Antritte seiner
Negierung in dem tiefsten Verfalle; besonders waren die Wollen-
manufacturcn von der allerkläglichsten Beschaffenheit. Er suchte
sogleich diesen wichtigen Industriezweig mit allem ihm eigenen
*) Einst traf der König bei einem Spatzierritte um Potsdam rin junges,
sehr großes Baucrmadchcn. Er ließ sich mit ihr in ein Gespräch ein
und vernahm, daß sie erst neunzehn Jahre alt und noch unverehlicht
sey. Sogleich schrieb er mit Bleistift an den Gardeobersten, er solle
die Ileberbringerin dieses Billets an den größten Gardcgrenadicr auf
der Stelle vermählen lassen. Der König gab dieß Billet dem Mäd¬
chen und trug ihr auf, eS gegen eine Belohnung dem Gardeobersten
zu überbringen. Das Mädchen mochte Argwohn schöpfen. Sie gab
also das Billet einer alten sicbenzigjährigcn Nachbarin zum Ucbcr-
briugen. Kaum hatte diese das Billet dem Gardeobersten zugestcllt,
als der größte Gardist gerufen und auf der Stelle mit der sicbenzig-
jährigen Frau zusammen gegeben wurde. Man kann sich vorstcllcn,
wie ungehalten der König war, als er den Zusammenhang dieser Ge¬
schichte erfuhr. Den Gardisten beschenkte der König wohl, allein
dieser hatte eine siebenzigjahrige Frau am Halses —