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die auch noch vor Ende des Jahres zu Stande kam. Die Re¬ 
gierung, in ihren Grundlagen republikanisch, ruhte in zwei vom 
Wolke ausgehenden Gewalten, einem gesetzgebenden Senate, aus 
sämmtlichen Deputaten, und einem vollziehenden Rathe, aus fünf 
Mitgliedern bestehend. Dieser letztere, vom Senate außerhalb 
desselben gewählt, sollte das Recht haben, sieben Minister für die 
einzelnen Zweige der Verwaltung zu ernennen. Die richterliche 
Gewalt war von jenen andern beiden unabhängig. Zum Präsiden- 
ten des gesetzgebenden Senats ward Vpsilanti ernannt; Mauro- 
kordato ward Präsident des Vollziehungsrathes; der Phanariot 
Negris Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Bevor hier- 
ans der Congreß sich auflöste, erklärte er in einer Proclamation 
an die Nation vom 12. Januar 1822 die Unabhängigkeit Grie- 
chenlands, auf die Grundlage der provisorischen Verfassung von 
Epidauros. Wie unvollkommen diese auch wohl sein mochte, und 
wie wenig sie in ihrer republikanischen Form der politischen Uu- 
Mündigkeit des griechischen Volkes entsprach, so war doch durch sie 
eine gewisse Ordnung und Einheit in die Angelegenheiten Grie- 
chenlands gebracht; weshalb sie auch für das augenblickliche Be- 
dürfniß wohl genügend und heilbringend gewesen wäre, hätte sie 
nicht allzusehr den Sieg der Insel- und Hetaristenpartei über die 
militärischen Häuptlinge des Volks zur Schau getragen, wodurch 
den späteren Zwistigkeiten von Seiten der habsüchtigen und nach 
Macht strebenden Häuptlingen und Primaten zugleich Nahrung 
gegeben ward. Deshalb hatte auch ein einziger der Militairchess 
die Verfassungsurkunde von Epidauros selbst unterschrieben. Diese 
nämlich und die Primaten glaubten durch den thätigen Antheil, 
den sie an dem Aufstande genommen hatten, auf die ersten Stellen 
im Staate Anspruch zu haben, während auf der andern Seite 
die Volksvertreter fürchteten, durch tatsächliche Anerkennung die- 
ser Ansprüche die Macht und den Einfluß Jener noch zu vermeh- 
ren, und sie daher fast ganz unbeachtet ließen. Diese ganzliche 
Ausschließung der Militairchess aber von aller Theilnahme an der 
Regierung mußte den Erfolg haben, die Behörde selbst in den 
Augen eines Volks verächtlich erscheinen zu lassen, das für den 
kriegerischen Ruhm fast noch allein Sinn hatte, und das seine An- 
führer im Felde abgöttisch verehrte. Zugleich- bewies diese Aus¬ 
schließung ein Mißtrauen gegen die Häuptlinge, in deren Händen 
gleichwohl ganz allein die militärische Macht blieb; denn noch
	        
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