195
wilden Räubervölkern, die dem Heere des Hannibal Hinterhalte legten,
endlich in der schlechten Jahreszeit, im Monat November, unter allen die¬
sen Hindernden stieg Hannibal über zwei der höchsten Gebirge Europa's,
über die Pyrenäen und die Alpen. Ueber die Pyrenäen ging es schnell:
in zehn Tagen ward das ganze Gallien (Frankreich) durchzogen, als man
aber an die Alpen gelangte, schien Kälte und Hunger dem Kühnen ein
Ziel zu setzen. Hannibal schreckte nicht zurück. Menschen und Thiere mu߬
ten die steilen, mit Eis bedeckten Anhöhen hinaufklettern. Tage lang mußte
erst Weg und Steg geebnet werden, und dann, wenn die Führer vermein¬
ten, eine Anhöhe erklommen zu haben, sanken sie oft plötzlich wieder zurück
in den Abgrund, oder wurden von Lawinen verschüttet. Ueberall war je¬
doch der Feldherr selbst gegenwärtig; überall ordnete, arbeitete, kämpfte
er selber. Endlich, nach neuntägigem Klettern, bei welchem mehrere tau¬
send Menschen und der größte Theil der Lastthiere umgekommen waren,
erreichte Hannibal den Gipfel der Alpen, und hier über den Wolken, auf
den ewigen Schnee - und Eisfeldern, ließ er sein Heer zwei Tage lang rasten.
Doch das Hinabsteigen war fast noch schwieriger als das Hinaufklettern;
ganze Schaaren stürzten in die Felsklüfte und Abgründe, oft konnte man
nicht vorwärts noch rückwärts. Als das Heer in den schönen Gefilden
Italiens anlangte, war nur noch die kleinere Hälfte vorhanden; von 59,000
Mann waren blos 26,000 geblieben; die Andern waren erschlagen, er¬
froren, in die Abgründe versunken.
2.
Nun zeigte Hannibal seinen Feldherrngeist. Ein römisches Heer rückte
ihm entgegen; er schlug es am Fluß Ticinus. Dann rief er die Gal¬
lier auf zur Empörung gegen Rom und verband sich mit ihnen. Aber
schnell hatten die Römer ein zweites Heer gesammelt; doch der Meister
im Kriege wußte eine günstige Stellung an der Trebia zu gewinnen, so
daß ein kalter Wind den Römern Regen und Schnee in's Gesicht trieb,
und fast das ganze römische Heer wurde in der Schlacht an ber Trebia
aufgerieben. Ganz Oberitalien ging zu bem Sieger über, unb mehr noch
als durch Waffengewalt gewann er durch schonende Milde.
Mit dem Frühling des nächsten Jahres drang Hannibal in das mitt¬
lere Italien vor. Der Fluß Arno hatte die ganze Gegend überschwemmt;
doch das hielt den Hannibal nicht auf. Drei Tage und drei Nächte mu߬
ten die Soldaten, ohne zu rasten, im Wasser waten, die Lastthiere blieben
int Schlamme stecken, und Hannibal selber verlor durch Erkältung das
eitte Auge. Kaum aber war er auf dem Trockenen, so wußte er den
neuen römischen Feldherrn durch verstellte Flucht in einen Hinterhalt zu
locken, und nun begann die Schlacht amTrasimenischenSee. 6000
Römer wurden gefangen, 15,000 niedergemacht, der Konsul FlaminiuS
tödtete sich selbst.
Hannibal zog weiter, hinter Rom hinweg, plünderte Alles aus, und
machte erst int südlichen Italien Halt. Da wählten die Römer einen
13*