Kap. 14. Innere Zustände: Ständeeinrtchtung.
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des Fcudalwcscn, das erst im Laufe der nächsten Jahrhunderte zur weitern Aus¬
bildung gelangte.
Denn bald ergab sich's, daß sich durch dieses Lehnsverhältniß einerseits des
Königs Macht und Würde erhöhte, anderseits die Vasallen dadurch zu einem
höhern Ansehen und zu größerem Wohlstand stiegen, als die andern Freien durch ihr
bloßes Allod besaßen. Die bedeutenden Vorthcile, die ein Vasall bet Hofe hatte,
bewogen daher manchen Freien, sein Allod oder freies Eigcnthum dem Könige
freiwillig z u r ü ckz u g eb e n, und cs als Feod oder LehnSgut von
ihmzurückzu empfangen.
Das Gleiche thatcn späterhin andere Freie, entweder auS Ueberdruß
am häufigen Heerbann, den sie von ihrem freien Gute bestreiten mußten,
oder aus Armuth und Noth, wenn sie, besonders in unruhigen Zeiten, ihr
Allod nicht im Stand zu erhalten, oder nicht zu schützen wußten.
Man konnte auch der Vasall eines andern Pasallen weltlichen oder geistlichen
Standes werden und hieß dann Aftervasall. — Daß man auch der Lehnsmann
eines geistlichen Lehnsherrn seyn, oder, wie man zu sagen pflegte, bei der
Kirche zu Lehen gehen konnte, kam so: — Es waren nämlich diejenigen
Landcigenthümcr, die eine geistliche Würde bekleideten, von Seiten ihrer weltlichen
Herrschaftsrechte zu dem Könige in dasselbe Verhältniß getreten, wie die andern
Vasallen, und mußten zu Hof —, und durch ihre Vögte auch im Heere dienen;
ja allmählich kamen alle Bisthümer und Abteien an Familien des Gefolgadcls (in
den auch viele der vornehmeren römischen Geschlechter übergetreten waren). Wer
nun bei einem Bischvffc oder Abte zu Lehen gierig, der war Vasall der Kirche,
aber in Bezug auf den Lehnsherrn des Bischoffs oder Abts war er Aftervasall.
Manche Freie aber, die einen großen Grundbesitz hatten, verschmähten cs,
Vasallen zu werden, und bildeten den Stand der Freiherren. Ueber diesen
hatten die großen Vasallen, d. i. diejenigen reichen Freien, die außer ihrem freien
Grundbesitz noch Lehnsgüter vom Könige hatten, als hoher Adel ihre
Stellung. N a ch den Freiherren erst kamen, der Stellung nach, die kleinen Vasallen,
d. i. diejenigen Freien, die außer ihrem Allod noch Lchnsgüter von dem hohen
Adel oder von der hohen Geistlichkeit hatten, als niederer Adel.
Während bei den Fr an kcn, O st g o th e n und Lombarden das Lehns¬
wesen überwiegend war, erhielten sich die S a ch s e n, Friesen und A l e-
mannen am längsten bet ihrer alten freien Gemeindeverfassung.
Das Lehnswcsen in seinem ursprünglichen Bestände wurde übrigens
durch die aufopfernde Treue veredelt, die zwischen dem Oberhcrrn und seinen
Dienstmannen bestand, eine Treue, durch welche in jener Zeit die überströmende
Lebenskraft und das leicht übcrgreifende Frciheitsgcfühl der Deutschen sich frei¬
willig beschränkte.
Das Lehnswesen hielt sich so lange in seiner Bedeutung, als die Kriegs-
verfaffung bestund, auf der cs beruhte. Mit der Einführung der stehenden Heere
ficng eS an sich aufzulösen, um nach und nach freieren Einrichtungen Platz zu machen.
Die Ständeeinrichtung. Auch das Ständewcscn, das sich bei
den sächsischen Völkerschaften in seiner alten Einrichtung forterhielt, bekam ins¬
besondere durch die Franken eine neue Gestalt. Zu dem uralten, zahlreichsten
Stand der freien Bauern kamen in den ncugebildcten Reichen
zwei neue Stände hinzu: der Stand der Geistlichkeit und der Stand der