Full text: Die Geschichte der letzten 50 Jahre

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23. König Ludwig I. von Baiern. 
besser als die wahre Kunst. Auch die Herausgabe seiner Gedichte 
(1829) schien die Meinung zu bestätigen, der fürstliche Ehrgeiz strebe 
vor Allem dahin, den eigenen Namen fortleben zu machen. 
Die großen Erwartungen von staatlichen Reformen, welche 
man im Anfänge dieser Regierung aus der unermüdlichen Thätigkeit 
des Königs und selbst von seinem Ehrgeize, persönlich zu regieren, her¬ 
geleitet hatte, dauerten nur einige Zeit. Nach einem kurzen Anlaufe 
ermattete die Thätigkeit auf diesem Gebiete, und auf den Land¬ 
tagen wiederholte sich die früher erlebte Erscheinung, daß fast alle 
wichtigeren Gesetzvorlagen bald bei der ersten Kammer (der Erbkam¬ 
mer der Reichsräthe), bald bei der zweiten (der Wahlkammer) schei¬ 
terten oder nur mit sehr unbefriedigenden Ergebnissen (durch Abän¬ 
derungen) durchgebracht wurden; kurz, im Staatswesen blieb Alles 
im Wesentlichen, wie vorher. Die Erfahrungen der Juli-Revolution 
und besonders ihr letztes Nachspiel in dem baierischen Rheinkreise 
(s. S. 198) drängten die Regierung auf die Bahn der Reaction. 
Zunächst befolgte dieselbe noch ein System des Schein-Constitutiona- 
lismus unter dem Fürsten Oettingen-Wallerstein (nominel 
Minister des Innern, thatsächlich aber Minister-Präsident, 1832 bis 
1837). Dieses System vermochte weder die liberale Opposition 
durch einige formelle Concessionen zu befriedigen, noch die hohe Ari¬ 
stokratie durch Bevorzugung des Adels im Staatsdienste, noch end¬ 
lich die sich immer mächtiger erhebende sog. ultramontane Partei, 
welche Baiern zur specifisch-katholischen Macht Deutschlands machen 
wollte. Diese letztere Partei, welcher Wallerstein nicht genug Con¬ 
cessionen gemacht, erhielt endlich das Nebergewicht beim Könige und 
gelangte zur Herrschaft unter dem Ministerium Abel (1837—1847), 
einem Apostaten des Liberalismus, der noch im Jahre 1831, in 
den stürmischen Debatten über die Preßfreiheit, „die Censur als eine 
morsche Krücke einer schwachen Regierung und als eine lähmende 
Fessel einer starken" bezeichnet hatte. Wie damals in Hannover, so 
begann gleichzeitig in Baiern eine entschiedene Reaction, die allmäh¬ 
lich auch nicht mehr den Schein des Constitutionalismus wahrte, so daß 
die Regierung und namentlich die Verwendung der Staatseinkünfte 
nur noch vom persönlichen, unverantwortlichen Willen des Monarcherl 
abhing. Diese Reaction dehnte sich hier aber auch auf das kirchliche 
Gebiet aus lind veranlaßte sowohl mehrfache Beschwerden der Pro¬ 
testanten über Verletzung der ihnen in der Verfassung verbrieften 
Rechte, als Verwahrungen der zweiten Kammer gegen die weitere 
Vermehrung der Klöster. Die wichtigsten Unternehmungen zur 
Förderung der materiellen Interessen waren: der Anschluß an den 
Zollverein 1833 (s. S. 234), die Ausführung der schon von Karl 
dem Großen projectirten Verbindung des Mains resp. Rheins mit 
der Donau vermittelst des (1833 begonnenen und 1847 vollendeten) 
Ludwigscanales und die Anlage der ersten deutschen Eisenbahn (1835 
zwischen Nürnberg rmd Fürth).
	        
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