Carl zieht gegen die Bayern und Avaren.
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Vaterland zurück und wirkte jetzt eben so eifrig für die Verbreitung des
Christenthums, als er früher gegen dasselbe gekämpft hatte.
3. Nachdem so in Sachsen für längere Zeit die Ruhe hergestellt
war, wurde Carl wiederum nach Italien gerufen. Hier suchte nämlich
der Herzog Arighis von Benevent, ein Schwiegersohn des entthronten
Longobarvenkönigs Desiderius, dessen Herzogthnm einen großen Theil
Unteritaliens umfaßte, der fränkischen Oberherrschaft sich zu entledigen.
Doch Carl erschien (787) und der Abtrünnige unterwarf sich und leistete
den Eid der Treue.
4. Aus Italien zurückgekehrt, hielt Carl einen Reichstag zu Worms,
auf welchem Thassilo, der Herzog von Bayern, angeklagt wurde, daß er
sich gegen den Frankenkönig, seinen Oberherrn, aufgelehnt habe. Bayern
gehörte nämlich zu den mittelbaren fränkischen Provinzen, indem das
mit den Merovingern verwandte Haus der Agilolfinger dieses Land erb¬
lich besaß, aber dem Frankenkönige huldigen und ihn als Oberherrn an¬
erkennen mußte. Da der damalige Herzog ebensfalls eine Tochter des
gestürzten Desiderius zur Gemahlin hatte, so hatte er seinen Schwager
Arighis von Benevent gegen Carl unterstützt. Deshalb rückten jetzt
(787) drei fränkische Heere in Bayern ein. Thassilo demüthigte sich,
stellte Geiseln und erhielt sein Land als Lehen zurück. Als er aber im
folgenden Jahre (788) auf's Neue beschuldigt wurde, daß er sogar die
Avaren zu einem Einfalle in's Frankenreich bewogen habe, wurde er auf
dem Reichstage zu Ingelheim, wo er selbst erschienen war, seines Lehns
verlustig erklärt und in einCloster geschickt, und Bayern nach Abschaffung
der Herzogswürde mit dem fränkischen Reiche vereinigt.
5. Im I. 789 unternahm Carl einen Zug über die Elbe, um die
den Franken feindlichen Wilzen zu demüthigen. Sein Heer bestand aus
Franken und Sachsen. Nachdem er zwei Brücken über die Elbe hatte
schlagen lassen, führte er sein Heer hinüber und drang bis zur Peene
vor. Mit Hülfe der ihm verbündeten Obotriten und Sorben, welche
mit den Wilzen in Feindschaft lebten, gelang es ihm, diese letzteren zu
unterwerfen, welche als Unterpfand ihrer Treue Geiseln stellten.
6. Nachdem so die Nordostgrenze des Reiches gesichert war, sah Carl
sich genöthigt, einen Zug zu gleichem Zwecke übe? die südöstliche Grenze
seines Reiches hinaus zu unternehmen. Damals saßen nämlich in Un¬
garn sowie in Oesterreich bis zur Enns die Avaren, ein slavischer Volks¬
stamm, den die fränkischen Geschichtschreiber gewöhnlich Hunnen nennen
Da dieselben seit einer Reihe von Jahren wiederholt räuberische Ein¬
fälle in Bayern und Italien gemacht hatten, so beschloß Carl, um eine
Rückkehr derselben zu verhindern, sie in ihrem eigenen Lande anzugrei¬
fen. Im I. 791 rückten drei fränkische Heere, in welchen sich auch
Sachsen und Friesen befanden, von verschiedenen Seiten in Ungarn ein;
die Avaren wurden überall geschlagen und das Land bis über die Raab
hrnaus verheert.
]■ 2m zweiten Jahre darauf schien ein zweiter Zug gegen die räu¬
berischen Avaren nöthig zu sein, aber ein neuer Aufstand der Sachsen
hinderte Carl, den Krieg gegen dieselben sortzusetzen; er mußte ihn sei¬
nem Sohn Pippin überlassen, der nicht ohne Erfolg gegen die Avaren
kämpfte. Die Sachsen konnten ihre verlorene Unabhängigkeit noch immer
nicht verschmerzen und deshalb versuchte das freiheitsliebende Volk noch
Giefeer, D.utshe Geschichte. p;