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allerlei Spiele für den Augenblick ersinnend oder gewohnte Spiele aus¬
übend. Zu den letzteren gehört das Steckenpferd, das Ballspiel, das
Schaukeln, das Kreis eltreiben, oder sie schoben Kugeln in ausgehöhlte
Gruben oder zogen Puppen, die wie Ritter angezogen waren, mit Schnüren
an, so daß sie durch die Bewegung mit einander zu kämpfen schienen,
oder schoben berittene Kämpfer gegen einander. Also wurde auch im Spiele
schon ans die künftige Bestimmung hingewiesen! Mädchen spielten mit
geputzten Puppen (tooken). Sonst sah man darauf, den Kindern von
frühester Jugend aus höfische Sitte beizubringen, unter welcher man sich,
besonders bei den Mädchen, Sittlichkeit, Bescheidenheit und äußeren An-
stand dachte. Im dreizehnten Jahrhundert gehörte dazu auch Kenntnis
der lateinischen und französischen Sprache. Wie die Mädchen heran¬
wuchsen, wurden sie zur Handarbeit, zum Nähen, Weben, Spinnen an¬
gehalten. Auch im Sticken wurden sie unterwiesen, und viele erlangten
darin eine große Kunstfertigkeit, da ihnen diese Beschäftigung viel Freude
und auch Ruhm vor der Welt bereitete; sie stickten mit bunter Seide oder
Linnensäden Wandteppiche für den Festsaal, Tischtücher und Meßgewänder
für die Kirchen. Es hat sich ans dieser alten Zeit nicht vieles erhalten,
aber dieses verkündigt ebenso eine kundige Hand wie seltene Geschicklich¬
keit und Ausdauer, besonders in Darstellung von Blattwerk, Tier- und
selbst Menschengestalten. Die Umrisse dazu wurden ihnen ausgezeichnet.
Es wurde Plattstich, Kreuzstich und Webstich zur Ausfüllung des Grundes
zwischen den Figuren angewendet. Besonders wurde der Mantel, der
für feierliche Gelegenheiten angelegt wurde, durch aufgenähte Goldborten
und Fignrenstickereien herrlich ausgestattet. Diese Arbeiten wurden im
Frauengemach ausgeführt, wo auch die weibliche Dienerschaft an minder
kostbaren Handarbeiten sich bethätigen mußte. Dieser war das Spinnen
und Nähen von Wollsachen vorgeschrieben. Es gilt als Zeichen hoher
Frömmigkeit, wenn die heilige Elisabeth von Thüringen mit ihren Mägden
Wolle sür die Kutten der Mönche verarbeitet.
Auch sonst noch mußten die erwachsenen Burgfräulein der Mutter
zur Seite stehen, denn es war keine Schande für die Ritterfrauen, sich
persönlich um Küche und Ökonomie zu kümmern. Die Küche befand sich
stets im Erdgeschoß, meist unter dem Festsaal. Die Wirtschaftsgebäude
mit den Stallungen sür Pferde, Kühe und Federvieh, die Scheuern sowie
die Wohnungen sür die Mägde und Knechte waren in der Vorburg, also
mit dem Herrenhaus nicht in unmittelbarer Verbindung. Was dann die
ernste Beschäftigung des Tages an freier Zeit übrig ließ, durfte dem
Vergnügen und der Erholung gewidmet werden. Es ist ein hervor¬
ragender Zug der Zeit, daß man sür die Natur und ihre freundlichen Er¬
scheinungen ein tiefes Verständnis besaß. Der rauhe Winter, gegen den
man sich damals so schlecht im Hause zu schützen wußte, mag Ursache
sein, daß man mit doppelter Freude den Frühling begrüßte, die Somnrer-
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