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Der poetische Hauch, welcher das Rheinsberger Leben beseelte, wurde
in Scherz und Ernst nach jeder Seite hin festgehalten. Man erfreute sich
einer zur Sage gewordenen antiquarischen Behauptung, daß Rheinsberg
eigentlich Remusberg heiße und römischen Ursprungs sei. So nannten sich
denn auch die Freunde zum Scherz mit römischen Beinamen und behielten
diese auch in ihrem späteren vertraulichen Verkehr bei. Ein eigens gestif¬
teter Ritterorden umfaßte die nächsten Glieder des Bundes, zu dessen
Schutzpatron der Ritter Bajard erwählt war, dessen Devise: „ohne Furcht
und Tadel," als Wahlspruch der Bundesglieder alt. Sie führten nach
alter Rittersitte Beinamen, wie: „Friedrich der Beständige" u. s. w.,
und schrieben sich Briefe in altfranzösischem Rittersthl; es setzte sich dieses
Spiel bis in den siebenjährigen Krieg fort.
Bald jedoch sollte der Tod des Königs Friedrich Wilhelm I. dem
hohen Geist des jungen Fürsten einen weiteren Schauplatz eröffnen.
Im Frühling 1740 erhielt Friedrich die Nachricht von der nahen
Auflösung seines Vaters. Er eilte nach Potsdam und fand den König
auf dem öffentlichen Platze neben dem Schlosse in seinem Rollstuhle sitzend,
da ihm die Füße den Dienst versagten, der Grundsteinlegung eines
benachbarten Hauses zusehend. Sobald er den Sohn erblickte, streckte er
die Arme aus, in die der Prinz sich weinend stürzte. „Mein Gott, ich
sterbe zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn und Nachfolger habe,"
sprach der alte König. Wenige Tage darauf übergab er Reich und Regi¬
ment öffentlich und feierlich in die Hände des Kronprinzen und ermahnte
seine Unterthanen, diesem fortan ebenso treu zu sein, als sie ihm gewesen
wären. Daraus ließ er sich in sein Zimmer zurückbringen. Der Kron¬
prinz und die Königin folgten ihm. Kaltblütig ertrug er den letzten Kampf,
Gegenstand zu fremd oder zu hoch; über jeden findet er eine Menge neuer und richtiger
Bemerkungen. Sein Witz gleicht dem nie verlöschenden Feuer der Vesta. Er duldet
den Widerspruch und versteht die Kunst, die guten Einfälle Anderer zn Tage zu för¬
dern, indem er die Gelegenheit, ein sinniges Wort anzubringen, herbeiführt. Er scherzt
und neckt zuweilen, doch ohne Bitterkeit und ohne eine witzige Erwiderung übel auf¬
zunehmen.
Die Bibliothek des Prinzen ist allerliebst; sie ist in einem der Thürme, die ich
erwähnte, aufgestellt. Sie enthält eine wohlgewählie Sammlung der besten französi¬
schen Bücher in Glasfchränken, Voltaire's lebensgroßes Bild ist darin aufgehängt. Er
ist der Liebling des Kronprinzen, niit dem er im eifrigsten Briefwechsel steht.
Die Abende unn sind der Musik gewidmet. Der Prinz hält in seinem Salon
Koncert, wozu man eingeladen sein muß. Eine solche Einladung ist eine besondere
Gnadenbezeigung. Der Prinz spielt gewöhnlich die Flöte. Er behandelt das Instru¬
ment mit höchster Vollkommenheit. Sein Ansatz, Fingergeläufigkeit, Vortrag sind
einzig. Doch Friedrich ist in Allem ansgezeichnet; er tanzt schön, mit Leichtigkeit und
Grazie und ist ein Freund jedes anständigen Vergnügens, mit Ausnahme der Jagd,
die in seinen Augen geist - und zeittödtend, und, wie er sagt, nicht viel nützlicher sei,
als das Ausfegen eines Kamins."