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hängen, ohne Rechthaberei und Unduldsamkeit. Aber sie war das Brot
seines Lebens, der Trost seiner Schmerzen, das Richtmaß seines handelns.
Aus seinem Glauben erwuchs ihm ein unbedingtes Gottvertrauen, das
sein ganzes Wesen erfüllte und in allen Bedrängnissen aufrechterhielt, ganz
nach dem alten Worte: Weil ich weiß, daß ich ohnmächtig bin in Gottes
hand, bin ich stark gegenüber aller Welt. So war er bis zur ängstlich—
keit gewissenhaft bei jeder Erwägung und völlig furchtlos bei jeder Ge—
fahr. Es war das nicht bloß der ritterliche Mut aus Nervenreiz oder
Ehrliebe, die Worte Furcht und Gefahr hatten für ihn überhaupt keinen
Sinn. Er schritt durch das Leben, niemals zagend, niemals prahlend,
stets in innerem Gleichgewicht.
Er gehörte nicht zu den genialen oder dämonischen Naturen, die
entweder durch überragende Geisteskräfte dem Jahrhundert neue Bahnen
vorzeichnen oder mit unwiderstehlicher Leidenschaft sich und ihr Volk
von schwindelnder Höhe in furchtbare Abgründe stürzen. Nicht einmal
geistreich in dem Sinne, wie sein älterer Bruder geistreich war, wird
man ihn nennen können. Dafür war er, was von Rudolf von habs—
burg ein gleichzeitiger Chronist rühmt, ein „ausrichtiger Mann“. Er besaß
den praktischen Verstand, zwischen zutreffenden und schlechten Ratschlägen
zu unterscheiden, neben einer fortdauernd wachsenden Sicherheit des Urteils
in der Wahl seiner Ratgeber. Nach seiner selbstlosen Gewissenhaftigkeit
hat er niemals einen Schritt gegen seine wohldurchdachte Überzeugung
getan, war aber stets bereit, bei der Bildung seiner Ansichten seine Wünsche
guten Gründen unterzuordnen. Denn in ihm lebte eine seltene Verbindung
von Festigkeit und Biegsamkeit des Geistes, wie sie den wirksamen Staats-
mann charakterisiert.
Nis an sein Lebensende blieb er unerschütterlich in seinen konser—
vativen Grundsätzen, erkannte aber ohne Widerstreben an, daß in ver—
änderten Zeiten auch die Mittel zur Bewahrung der Macht sich ändern
und Le fortschreitende Reform die bleibende Bedingung der Erhaltung
ist. Ne sich versteht, war er durchdrungen von der Notwendigkeit einer
starken Monarchie in dem durch seine Monarchen gegründeten, aus ver—
einzelten Provinzen zusammengesetzten, von eifersüchtigen Nachbarn um—
gebenen Staate. hier mußte eine von festen politischen überlieferungen
geleitete Zentralgewalt bestehen, unabhängig von den täglichen Schwan—
kungen der öffentlichen Meinung; der Zwang zum Ministerwechsel bei
jedem Wechsel der Kammermehrheit wäre hier eine tödliche Gefahr,
nicht bloß im Innern für die Würde der Krone, sondern auch für die
Sicherheit des Staates nach außen. Weit entfernt aber war der
Prinz, hieraus die Notwendigkeit einer unumschränkten herrschergewalt zu
folgern. „Ich will nicht untersuchen,“ sagte er einmal dem König Mar