Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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Nische Recht, wie es vor seiner Vermischung mit dem römischen Rechte 
bestanden hatte; die älteste derartige Sammlung ist das salische Rechts¬ 
buch der Franken, welches, von den Merowingern herrührend, unter 
Karl dem Großen erweitert und verbessert wurde. Ihm schließen sich eine 
Reihe von Rechtsbüchern der verschiedenen deutschen Staaten, mehr oder 
weniger mit römischen Elementen vermischt, an, wie die der Friesen, 
Angelsachsen, Alemannen, Sachsen u. a. m. Als die wichtigste 
unter diesen Gesetzessammlungen, und als die am tiefsten, und mit 
schöpferischem Geist durchdachte, gilt das Rechtsbnch der Westgothen, 
in welchem römisches und deutsches Recht schon zu einem untheilbaren 
Ganzen verwoben ist. 
Diesen Volksrechten gegenüber bildeten sich die sogenannten Kapi¬ 
tularien (Rechte der Könige) aus, welche hauptsächlich politische und 
polizeiliche Verordnungen enthielten, und aus welchen später die eigent¬ 
lichen Reichsgesetze hervorgingen. Als bei der größeren Entwickelung 
des staatlichen Lebens die bisherigen Elemente der deutschen Rechtsverfassung 
nicht mehr ausreichten, erschien eine neue Gattung deutsch geschriebener 
Rechtsbücher, d. h. gesammelte Gebräuche, Verordnungen, Urkunden, oder 
Gesetzesentwickelungen und Folgerungen über Kaiser-, Lehn-, Fürsten-, 
Städte- und Volksrecht. Die Weisthümer, der Sachsenspiegel 
für den nördlichen, der Schwabenspiegel für den südlicheren Theil 
von Deutschland sind die wichtigsten dieser Erscheinungen, an welche 
sich denn wieder kleinere, mehr in's Detail gehende Werke dieser Art 
anschlossen. 
Mit der Lehre des Evangeliums trat nicht minder das geistliche 
oder „kanonische Recht" in den Kreis der Studien und fand, wie man 
sich denken kann, zahlreiche Freunde und Bearbeiter. Was den praktischen 
Rechtsgang betrifft, so wurde das uralte Volksgericht schon unter 
den karolingischen Kaisern mehr und mehr beschränkt und die Entscheidung 
in die Hände der Richter und Schöffen gelegt. Doch blieb Oeffent- 
lichkeit, Mündlichkeit und persönliches Erscheinen der Parteien die 
Grundlage der Gerichtsverfassung. Neben dem Eide, Urkunden und 
Zeugenaussagen waren durch das ganze Mittelalter Gottesgerichte 
(Or da lien) und gerichtliche Zweikämpfe in Uebung und leider galten 
Folter und Rad für unentbehrliche Mittel zur Rechtspflege. 
Andere Seiten geistiger Bestrebungen boten sich in den philosophischen 
Studien, zu welchen, nach dem Untergange der Kultur des Alterthums, 
das Christenthum einen neuen Hang erweckte. Es war natürlich, daß, da 
die gelehrte Bildung doch immer noch vorzugsweise in den Händen der 
Geistlichkeit sich befand, die philosophischen Untersuchungen sich einzig auf 
die Fragen der christlichen Glaubens- und Lehrsätze bezogen, und deshalb 
den Namen Schulweisheit, Scholastik erhielten. Man bediente sich 
hierzu der von Aristoteles aufgestellten Denkgesetze, erfand eine Menge 
von Formeln und Schulausdrücken, und gerieth zuletzt auf spitzsindige
	        
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