Full text: [Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband])

Trinius: An den Ufern des Werbellin. 
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geblieben. Werbellin blieb der kostbarste Jagdgrund der Hohenzollern. 
Jener Teil des Waldes, welcher den nördlichen Uferrand des Sees be¬ 
grenzt und Schorfheide benannt ist, dient hauptsächlich zur Pflege und 
Fütterung des Hirschbestandes, für den die Nähe des Sees mit seinem 
klaren Trinkwasser äußerst vorteilhaft ist. Wohl an dreitausend dieser 
edeln Tiere birgt die Heide. Im Herbst, von der Mitte des Sep¬ 
tembers bis in den Oktober hinein, erfährt diese Zahl noch eine Be¬ 
reicherung. Dann kommen nämlich die stärksten Wanderhirsche an 
hundert Meilen weit zum Werbellin gezogen, aus Pommern, Schlesien, 
ja selbst aus Litauen und Polen, deren Wälder arm an Hirschkühen sind, 
und der Wald dröhnt dann von dem Gestampf und Geschrei der wütend 
Kämpfenden, dem Aneinandcrschlagen der vielzackigen Geweihe, während 
die Erde, ringsum aufgewühlt, zu bersten scheint. Nach vier Wochen 
kehren die fremden, heißblütigen Ritter wieder in ihre Heimat zurück. 
All diese bewegten Bilder, daneben auch die friedlichen, welche das 
äsende Wild morgens und abends darbietet, wenn es, aus dem Walde 
tretend, in langen Zügen langsam dem See zuschreitet, spielen sich auf 
dem herrlichen Waldesplan ab, auf dem sich das Jagdschloß Hubertus¬ 
stock mit den daranstoßenden Ökonomiegebäuden befindet, eine Schöp¬ 
fung Friedrich Wilhelms IV., welcher ihr zugleich diesen bezeichnenden 
Namen gab. An der Stelle, wo der König einst, nach heißem Jagen 
Rast machend, seinen Stock in die Erde stieß, ließ er auch ein Bild- 
stöck'l errichten, welches in bunten Farben auf goldenem Grunde die 
bekannte Legende zeigt, wie dem scheu betroffenen, andächtig nieder¬ 
knieenden Sankt Hubertus der Hirsch mit dem leuchtenden Kreuz zwischen 
dem Geweih erscheint. Nicht weit von diesem Bilde, wo ein Brünnlein 
in einer Thalsenkung entspringt, befindet sich unter einem Säulendache 
die Figur Siegfrieds mit Speer und Hifthorn. 
Hubertusstock ist nur ein schlicht im Schweizerstil erbautes Jagd¬ 
schlößchen von bescheidener Größe und einfacher Ausschmückung im 
Innern; aber dafür liegt es so recht im Herzen des grünen Waldes. 
Ein geschnitzter Balkon zieht sich in der Höhe des ersten Stockwerks 
um alle vier Seiten des Hauses, während zahlreiche Geweihe innen und 
außen über den Fenstern vrangen. Das heitere Waldleben, welches sich 
ringsumher entfaltet, der Blick in die Jagdgründe mit ihren schatten¬ 
den Baumgrnppen, unter denen das Wild sorglos lagert; der Blumen¬ 
teppich der Heide, das Läuten der Herde, der Anblick der schmucken, 
musterhaft sauberen Wirtschaftsgebäude: alles ist von so erquickender 
Frische und wohlthuender Anmut, daß es das Auge für immer aufs 
neue entzückt. 
Nur wenige Tage im Jahre muß der Frieden von dieser Stätte 
weichen. Dann aber ist hohe Zeit in Hubertusstock, und mit Spannung 
siebt man dem kaiserlichen Hofe mit seinen Güsten entgegen, der im
	        
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