Full text: Kurzer Abriß der Geschichte von Württemberg

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und Isegrim haben inzwischen die Gefälligkeit, statt meiner im 
Gefängnisse zu sitzen, und zur Entschädigung für meine aus¬ 
gestandene Todesangst hat mir der König hier meinen Begleiter 
Lampe geschenkt, den wir sogleich verzehren wollen." 
Als Lampe diese Worte hörte, schrak er heftig zusammen 
und wollte entfliehen, aber Reineke vertrat ihm den Weg und 
packte ihn bei der Kehle. „Hilfe! Hilfe, Bellin! schrie der arme 
Hase, der falsche Pilger heisst mich tot." Allein nach wenigen 
Augenblicken verstummte sein Geschrei, denn der Fuchs hatte ihm 
die Gurgel durchgebissen, sodass der unglückliche Lampe mause¬ 
tot zu Boden fiel. Reineke aber jubelte nach dieser schlechten 
That und rief seiner Frau und seinen Kindern zu: „Jetzt kommt 
heran! Der Lampe ist dick und fett, wir wollen ihn uns trefflich 
schmecken lassen. Ich hatte es dem Wicht schon lange zu¬ 
gedacht, dass er in unsern Magen spazieren sollte, und verdient 
hat er es reichlich, denn auch er gehörte zu meinen Anklägern." 
Während nun Reineke und seine ganze Familie eine herr¬ 
liche Mahlzeit hielten, erzählte er seiner Frau, wie es ihm bei 
Hofe ergangen sei, und wie er den König und die Königin durch 
Lügen und Schmeicheleien bethört habe. Weil er aber fürchtete, 
dass der König bald hinter seine Schliche kommen werde, teilte 
er ihr seinen Entschluss mit, nach Schwaben auszuwandern, wo 
es, wie er sagte, von Hasen und Kaninchen wimmelt, Gänse, 
Enten und Hühner scharenweise umherlaufen und in den kristall¬ 
hellen Gewässern herrliche Fische schwimmen, nach denen man 
gar nicht tief zu tauchen braucht. Trotz der Reichtümer des 
Landes gefiel aber der Plan der Füchsin nicht, und auf ihr Zu¬ 
reden entschloss sich Reineke, in der Heimat zu bleiben und sich 
in seiner festen Burg zu verteidigen, wenn ihn der König mit 
bewaffneter Macht bedrängen würde. Um sein Gelübde, nach 
Rom zu pilgern und sich Ablass vom Papste zu erbitten, kümmerte 
er sich gar nicht mehr und freute sich, dass er den König so 
schlau überlistet hatte. 
Inzwischen stand Bellin ungeduldig am Thore und rief end¬ 
lich laut: „Warum lässt du mich hier so lange warten, Lampe? 
Komm augenblicklich heraus, denn es wird Zeit, dass wir uns 
wieder auf den Weg machen!“ Statt des gerufenen Hasen er¬ 
schien aber jetzt Reineke vor der Thür und sprach: „Verzeihe, 
dass wir dich so lange warten liessen. Freund Lampe, welcher 
mit meiner Frau aus demselben Dorfe ist und sie sein Mühmchen 
nennt, kann nicht aufhören mit ihr von der fröhlichen Jugend¬ 
zeit zu plaudern, und es gefallt ihm in unserer bescheidenen 
Wohnung so gut, dass er noch eine Weile bei uns zu bleiben
	        
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