Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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die der bevorstehende heilige Tag in ihm erregte. Überall gab sich eine 
edle Sinnesweise bei ihm kund. Seine Mildthätigkeit erfuhr unter 
andern ein armes Kind, das bittend zu ihm trat, als er, die schöne 
Natur preisend, in einem Walde sich erging: er gab demselben seine 
ganze Barschaft, die er eben als Geburtstagsgeschenk vom Vater erhalten 
hatte. Einst trat er mit schlotternden Schuhen vor den Vater; die 
Schnallen davon hatte er einem Armen gegeben, meinend, er habe noch 
ein Paar an seinen Sonntagsschuhen, und das sei genug. — Seine 
Freunde wählte hernach der Jüngling mit dem Hellen Geiste nicht 
sowohl unter den Klugen und Gescheiten, als vielmehr unter denen, die 
biedern Herzens waren. 
Von früh auf zeigten sich die großen Fähigkeiten Schillers. Schon 
als 4jähriger Knabe hatte er sorgsam acht, nicht auf Erzählungen allein, 
sondern auch, wenn etwas vorgelesen wurde, besonders aber, wenn dies 
Stücke aus der Bibel waren; und durch stetes Fragen that er seine 
Wißbegier kund. Wegen seiner Tüchtigkeit nahm ihn Herzog Karl von 
Würtemberg auf die Karlsakademie, und dadurch kam er von dem 
Vorhaben, Geistlicher zu werden ab (— denn die geistlich werden wollten, 
mußten mit dem 14. Jahre in die Klosterschulen eintreten —), widmete 
sich der Arzneikunde und wurde, 22 Jahr alt, Negimentsarzt in Stutt¬ 
gart. — Seit er zum ersten Mal als 9jähriger Knabe in Ludwigsburg 
ein Schauspiel gesehen hatte, kam sein Gedanke nie mehr davon zurück, 
und schon als 20jähriger Jüngling schrieb er das Theaterstück: „Die 
Räuber", dazu vieles andere. Man wurde in Deutschland aufmerksam 
auf den hoffnungsvollen jungen Mann, und als er seine Stelle als 
Regimentsarzt verlassen hatte und nach und nach in Noth gericth, so 
stand er nicht lange verlassen und unter dem Druck der Sorgen, 
sondern fand (1787) am herzoglichen Hofe zu Weimar gütige Aufnahme 
und Stütze. Hier war es, wo er den gewaltigen, um IO Jahre älteren 
Goethe fand, und obwohl dieser feine, vornehme Mann gegen die meisten 
zurückhaltend und fremd blieb, verband doch ihn und Schiller hernach 
die wärmste Freundschaft, die nie erkaltete, nie erlosch. Einer begeisterte 
den andern, einer erhob sich am andern; so waren die beiden vereint, 
deren Geisteswerke als die bewundernswerthesten dastanden vor den 
Augen der staunenden Leser. Ergötzt sich doch schon ein Kind am 
Goetheschen Ritter „Götz von Berlichingen", und die Erwachsenen, seit 
sie den „Faust" kannten, priesen; Gewaltigeres hat noch kein Dichter 
geschaffen. Hat doch schon ein Knabe seine Lust am Schillerschen „Tell", 
und als im leipziger Theater sein Stück „Die Jungfrau von Orleans" 
zum ersten Mal anfgeführt wurde, da erscholl ein tausendstimmiges „Es 
.lebe Friedrich Schiller!" und nach dem Schluffe des Theaters strömte 
alles herbei, um den wundersamen Mann (der auch zugegen gewesen 
war) zu sehen, der solches schaffen konnte. Die Zuschauer bildeten in 
zwei Reihen für den Heimgehenden eine lange Gasse, und sobald er sich 
näherte, hieß es von allen Seiten: „Das Haupt entblößt!" So 
erquickten sich, und werden sich noch lange erquicken die Gebildete,: aller 
Sprachen, vornehmlich die der deutschen Zunge an allem, was er Großes, 
Schönes, Reines und Zartes gesungen hat. Und er selbst, der gefeierte 
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