467
lendes Herz — es ist ja nur ein Sclave. Wird sein Leichnam
nicht, was jedoch meistens geschieht, dem Geier, dem Adler oder
der Hyäne zur Speise, dann trocknet er aus, wird zur natürlichen
Mumie und eine dicke lederartige Haut bedeckt die Knochen. Wir
hatten an diesem Tage bedeckten Himmel, und ein starker West¬
wind, der den Flugsand aufrührte, fiel uns beschwerlich. Eine
Karawane, von AbuHammed kommend, übernachtete unfern von
uns an einem einzeln stehenden Felsen.
Der 15. Februar ließ uns das Ende des gebirgigen Thei-
les der Wüste erreichen. Durch einen langen, an beiden Seiten
von Sandsteinfelsen eingeengten Paß treten wir in ein weites
Wüstenthal, vom Araber das Meer ohne Wasser genannt, dessen
Fläche als unabsehbare Ebene sich vor uns au-sbreitete. Der bis¬
her durchwanderte Theil hatte durch den steten Wechsel der Berg¬
formen des Sandsteines, meist isoliert stehende Berge von 100
bis 300 Fuß Höhe, noch manches angenehme. Aber nun lag
die weite Sandfläche in trauriger Einförmigkeit vor uns, ver¬
gebens suchte das Auge nach einem Ruhepunkte, nirgends zeigte
sich ein Berg, dagegen erblickte es ein Naturschauspiel, wie es
die Wüste so oft zeigt: von zehn Uhr des Morgens bis vier
Uhr des Nachmittags eine herrliche Fata Morgana. Wir sehen
auf dem wasserlosen Sande Wasser in Menge und in den ver¬
schiedensten Formen. Da gab es Flüsse, Teiche, Seen und ein
unabsehbar hohes wellenbewegtes Meer. Die Berge des Wüsten¬
randes ragten gleich Inseln aus dem Wasserspiegel, in welchem
wir wiederum ihre Bilder in verkehrter Lage erblickten, und es
ward diese Luftspiegelung unter günstigen Verhältnissen bisweilen
so stark, daß wir uns dem vermeintlichen Wasser bis auf weniger
als 100 Schritte nähern konnten, ehe das Bild plötzlich wie
durch einen Zauberschlag zerfloß und wir uns von dem gelben
heißen Sande der Wüste umgeben sahen. Welche Höllenqual muß
eine solche Täuschung dem armen Wanderer verursachen, der im
Todeskampfe der Ermattung nach einem Tropfen Wasser lechzt
und zu seinem Schrecken erkennt, daß es nur „Wasser des Satans"
war, wie es der Araber nennt, das seine Hoffnung belebte. Be¬
sonders schön zeigte sich diese Luftspiegelung um die Mittagszeit.
Wir mochten ungefähr eine Stunde hinter der Karawane zurück¬
geblieben sein und schickten uns eben an, derselben nachzueilen,
als wir sie langsam vor uns herziehen sahen, alle Kamele an¬
einander gereihet, Menschen und Thiere schienen hoch in der Luft
oder vielmehr auf einem Wasserspiegel zu gehen, der jedoch ver¬
schwand, als wir uns in äußerster Nähe befanden und die singen- -
30 *