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trug er seine Waffen. Dieser Feldzug ist in einer alten Sage verherr¬
licht, in der Sage von Rolands einem seiner Getreuen. Als Karl
mit den Fürsten seines Reiches auf einem Reichstage zu Paderborn
versammelt war, erschien ihm in der Nacht — so erzählt die Sage —-
ein Engel, der zu ihm sprach: „Eile gen Spanien, wo die Heiden
untugendlich in Abgötterei leben, damit du dieses Land gewinnest
und die Krone des Himmels erbest. Hier nimm dieses Schwert und
dieses Horn und gieb es deinem Neffen Roland, der soll an dieser
Heerfahrt das ewige Leben verdienen." —
Da machte sich im Jahre 778 Karl auf mit seinen zwölf Helden,
unter denen Roland der vornehmste war, und mit vielem Kriegsvolk,
daß er dem Heidenthume in Spanien ein Ende mache und das
Christenthum mehre. Die Araber wurden geschlagen und Karl be¬
mächtigte sich in kurzer Zeit der wichtigsten Städte und eroberte fast
ganz Spanien. Auf dem Rückzüge aber — als sein Heer mit Beute
beladen, zerstreut, langsam und in fröhlicher Sorglosigkeit durch die
engen Gebirgsschluchten von Ronceval daherzog, wurde der Nachtrab
von den auflauernden Arabern überfallen, beraubt und größtentheils
niedergehauen. Hier fiel nebst vielen anderen berühmten Helden auch
der Ritter Roland, der Liebling des Kaisers. Er war von vier
Speeren und vielen Steinwürfen hart verletzt. Da nahm er sein herr¬
liches und leuchtendes Schwert und gedachte es lieber zu zertrümmern,
als den Arabern zu überliefern, und er schlug aus allen Kräften auf
einen Marmorstein. Aber das Schwert spaltete den Stein und zerbrach
doch nicht. Alsdann nahm er sein Horn und stieß mit solcher Kraft
hinein, daß es zersprang und die Adern an seinem Halse zerrissen.
Kaiser Karl, der schon 8 Meilen voraus war, vernahm den gewaltigen
Schall und kehrte wieder um; aber er fand Roland, die Arme in Kreuz¬
gestalt auf der Brust, todt da liegen. Der Kaiser und alle Franken
jammerten und beklagten bitterlich den Tod des wackern Helden und
aller seiner Mannen.
Das Andenken an Roland lebt noch in mancher andern Sage
fort. Wo der grüne Rhein das Gebirge verläßt, unfern der Stadt
Bonn, dem Siebengebirge gegenüber, liegt Rolandseck. Auf
einem steilen Berge steht da noch ein alter Fensterbogen, der einst
zu Rolands Burg gehört haben soll, welche auf diesem Felsen stand.*)
Aber auch im Sachsenlande ist uns das Andenken Rolands er¬
halten. In vielen alten Sachsenstädten findet man gewaltige Stein¬
bilder, riesenhafte Männergestalten mit Waffen geschmückt, die
man Rolande nennt. Von allen der berühmteste ist der Roland
von Bremen, der mitten auf dem Markte steht. So hat man das
Andenken dieses Helden bewahrt, dessen wundervolle Thaten in aller
Munde leben und in vielen schönen Gedichten — wie auch in dem
nachstehenden — Lesungen worden sind.
*) Vergl. S. 10: Rheinthals Ritterburgen.