Full text: Von 102 vor Chr. bis 1500 nach Chr. (Th. 1)

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auch vor diesem zu jeder Genugthuung bereit; der Herzog gab jedoch die 
ausweichende Antwort, er müsse erst die Meinung der übrigen Fürsten ein¬ 
holen. 
So blieb der Verdacht eines Mordanschlags gegen die ersten Fürsten 
des Reichs dennoch auf dem König haften, so daß die Stimmung der 
deutschen Fürsten gegen letzteren immer aufgeregter wurde. Rudolf und die 
Sachsen säumten daher nicht, durch Erzbischof Siegfried von Mainz, der 
ihrem unablässigen Drängen nachgeben mußte, noch vor Weihnachten eine 
Fürstenversammlung nach Mainz zu berufen, um Regingers Anklage zu 
untersuchen und, falls der König schuldig befunden würde, den deutschen 
Thron anderweit zu besetzen. Von der Unterwerfung der Sachsen in Köln 
war nun nicht mehr die Rede. 
Die Krone wankte aus Heinrichs Haupte. Allen im Reiche war er 
durch den Verrath der Großen verhaßt und verdächtig geworden. Er selbst 
begriff vollkommen die Gefahr, in der er schwebte, und traute Niemandem 
mehr, zumal ihm nicht verborgen blieb, womit die Fürsten umgingen. Doch 
verzagte er nicht und war entschlossen, nach Kräften sein Recht und seine 
Ehre zu retten. Von Regensburg, wo er damals weilte, brach er sofort 
nach dem Rheine auf, um dem bösen Anschlage, den die Fürsten in Mainz 
auszuführen gedachten, zuvorzukommen. Auf seinem Wege zeigte es sich, 
daß er doch noch Freunde und Anhänger hatte. 
Die deutschen Städte im Mittelalter haben fast immerdar mit Treue 
an ihren Königen und Kaisern gehangen, da dieselben ihre Beschützer gegen 
die Großen und Fürsten waren und nicht wie diese durch Zölle und Ab¬ 
gaben ihren Handel beschränkten, wozu sie keinerlei Veranlassung hatten; 
denn damals kannte man weder stehende Heere noch Staatsschulden, und 
für die Ausgaben des königlichen Hofes reichten die Einkünfte der Kron- 
güter vollkommen aus. Auch hatten die deutschen Könige, um die Wohl¬ 
fahrt des Reiches zu heben, seit Heinrich dem Finkler alle Sorgfalt auf 
das Emporblühen der Städte verwandt, so daß diese feit jener Zeit an 
Menge der Einwohner wie an Wohlhabenheit gewachsen waren und bereits 
anfingen, in Reichssachen einige Bedeutung zu erlangen. Sie konnten daher 
für eine Hauptstütze der Könige gelten; hätten letztere dies nur immer er¬ 
kannt und zu benutzen verstanden, weder Fürstenthum noch Papstthum hätte 
solche Triumphe über sie errungen. 
So waren es auch jetzt, als Heinrich an den Rhein kam, die dortigen 
Städte, welche ihm in seiner Noth treu zur Seite standen und ihn in seiner 
Niedergeschlagenheit wieder aufrichteten. Eine der bedeutendsten, das alte 
Worms, der Stammsitz der Salier, ging mit gutem Beispiele voran. Seine 
Bürger vertrieben die Ritter und Kriegsknechte ihres Bischofs Adalbert, 
der ein Parteigänger des Herzogs Rudolf war und dem Könige den Weg 
nach der Stadt verlegen wollte, ja sie hätten ben Bischof selbst dem Könige 
gefesselt überliefert, wenn er sich ihren Händen nicht durch die Flucht ent¬ 
zogen hätte. Und als der König nun herankam, zogen sie ihm zu Fuß 
und zu Roß wohlgerüstet entgegen, boten sich ihm zu Dienste an und luden 
ihn in ihre Stadt. So groß war also die Macht und der Wohlstand 
dieser einzigen Stadt, daß sie es wagen durfte, ihren König gegen fast 
sämmtliche Fürsten des Reichs in Schutz zu nehmen. Heinrich nahm das 
Anerbieten der treuen Wormser an, und seit diesem Tage ging sein Glücks¬ 
stern wieder auf. Worms war wohlbefestigt, mit allen Kriegsbedürfnissen 
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