260 Die weltgeschichtliche Bedeutung des Reiches der Ptolemaier.
wir besonders dem unbekannten Meister, der den Plan des Ganzen entwarf und
den einzelnen Teilen ihren Platz anwies.
Über diesen Reliefs nun lag ein jonisches, weit ausladendes und mit Zahn-
einschnitt versehenes Kranzgesims, auf welchem sich Stufen erhoben. Den Auf-
gang zu dem Opferaltar bildete eine breite, tief in den viereckigen Bau und
auch in die Reliefs einschneidende Treppe aus 24 Stufen, die auf der Westseite
zu einer breiten Plattform emporführte. Auf dieser war der Opferaltar er-
richtet, über dessen Aussehen und Form nur Vermutungen bestehen. Wahr-
scheinlich bestand er aus einem steinernen Unterbau, zu dem Treppen empor-
führten; auf ihm erhob sich der aus Asche hergestellte eigentliche Opferaltar; mit
seiner obersten Fläche überragte er nach erhalten gebliebenen Berichten die große
Plattform um etwa 6 m. Der aus Marmor bestehende Unterbau war vermut-
lich reich verziert; vielleicht waren auch Götterstatuen um ihn herum aufgestellt.
Die Plattform war auf der Nord-, Ost- und Südseite von einer Säulen-
Halle umgeben, deren Höhe nur die Hälfte des Sockels betrug; die flache Decke
war innen mit Kassetten versehen. Auf der Innenseite war das in jonischem
Stil gehaltene Bauwerk durch eine Wand abgeschlossen; auf der dem Opferaltar
zugewendeten Seite derselben befand sich ein Fries von viel kleineren Verhält-
nissen als die Gigantomachie, der eine heimische Sage des Landes, die Sage
von Telephos*), dem mythischen Ahnherrn der Pergamener, behandelte.
64. Die weltgefcfiichfliche Bedeutung des Reiches der Ptolemaier.
Leopold b. Ranke, Weltgeschichte.
(Leipzig, Duncker & Humblot.)
Die Ptolemaier behaupteten ein vorwaltendes Ansehen im Mittelmeer.
Kypros wurde erobert, auch Rhodos schloß sich an. Ägyptische Kausfahrer
befuhren das Ägäische und Schwarze Meer; zwischen ägyptischem und hellenischem
Wesen vollzog sich eine enge Verbindung. Auch in den inneren Zerwürfnissen
der Griechen des Mutterlandes übten die Ptolemaier immer einen sehr lebendigen
politischen Einfluß aus. Was aber dem ptolemaischen Ägypten eine mit der
Telephos war der Sohn des Herakles und der Athenapriesterin Auge, der
Tochter des Königs Aleos bort Tegea in Arkadien. Aleos ließ seine Tochter ins Meer
werfen und den Knaben im Gebirge aussetzen. Dort wurde Telephos bott einer Hirsch¬
kuh ernährt und bon Hirten aufgezogen. Später gelangte er zu dem König Teuthroas
bott Pergamon, wo er auch seine Mutter wieder fand, und wurde dessen Schwiegersohn
und Nachfolger. Als die Griechen auf dem Zuge gegen Troja auch nach Mysien kamen
und dort plünderten, bekämpfte er sie und wurde bon Achilles berwundet. Da das
Orakel aussprach, daß ihm nur der helfen könne, der ihn berwundet habe, reiste er zu
Achilles, ward bott diesem durch den Rost seines Speeres wieder hergestellt und zog
dann mit den Griechen gegen Troja.