Full text: Vaterländische Bilder aus Ungarn und Siebenbürgen (Bd. 3)

Das Zipserhaus. Das Gömörer Comitat. 
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thürmten Betten zeugen von deutscher Ordnung und Behäbigkeit. Obschon Leut¬ 
schau der Hauptort ist, so hat doch das Zipserhaus, dessen Ruinen unsern des 
aus Tropfstein erbauten Kirchdorf aus dem felsigen Drevenik oder Holzberge 
stehen, nebst dem daneben liegenden Zipser Capitel auf einem zweiten Berge das 
meiste historische Interesse, denn dort ward Zapolya geboren, und hier wohnt der 
Bischof mit seinen Domherren. Die bischöfliche Residenz, die eine Gasse bilden¬ 
den 10 Domherrnhäuser, Kirche, Nebengebäude und Gärten aus dem Zipsberge 
sind seit den Hussitenkriegen von kleinen Basteien umgeben, und die schöne Kirche 
mit manchem merkwürdigen Grabsteine, Wappen und Todtenfahnen geschmückt. 
Dagegen knüpft sich an das Zipserhaus die Geschichte der ganzen Grafschaft. 
Schon im Jahre 1202 wird ihrer gedacht als königlicher Burg, die bald von 
Tataren und von Hussiten zerstört, von Hunyady, Zapolya besetzt, von Rebellen 
und Kaiserlichen erstürmt ward, bis sie im Anfange dieses Jahrhunderts nieder¬ 
brannte. Ihre gewaltigen Ruinen zeugen von alter Pracht, Rasen deckt zwar die 
Höfe, die morschen Mauern neigen sich, die auf der Südseite dreifach mit Thür¬ 
men und Höfen die Burg schützen, und düster in das liebliche Thal und nach der 
freien Stadt Kirchdorf hinabschauen, in welcher sich am Fuße des Berges ein 
lebhaftes Marktgetümmel zu regen pflegt, und jene Ruinen erinnern an die Zeiten, 
wo Szepesvar das stattlichste Burgschloß im Lande, Sitz des Reichspalatin und 
königliches Prinzenschloß war. 
Das an Eisen überreiche Gömörer Comitat am Saso, der hier am Königs- 
berge entspringt, und^m der Rima erzeugt auf fruchtbaren weiten Thälern Ta¬ 
bak, Obst und Gemüse, nährt zahlreiche Hornvieh- und Schweineherden; 
an seinen Bächen klappern Papier- und Sägemühlen, auf seinen Wiesen und 
Feldern summen Bienen, und seine Berge tragen gewaltige Waldungen. 
Die besten Wachskerzen verfertigt man in Rosenau, die besten Kirschen (14 Sor¬ 
ten) und schöne Melonen zieht Gömör, gute Schafe Theißholz, dessen Käse sehr- 
beliebt ist, große Obstgärten umgeben Eltsch, weißen Marmor bricht man zu 
Jelschau, Hornpfeifen ^drechselt man in Rima-Szombath, Eisenbahnschienen 
liefert Pohorella, während andere Orte Sauerbrunnen besitzen. Die größte Merk¬ 
würdigkeit des Comitats bleibt jedoch die große Tropfsteinhöhle Baradla beim 
Dorfe Agtelek. Diese Höhle, welche von drei Bächen durchflossen wird, ist nicht 
nur überhaupt eine der größten ihrer Art, sondern übertrifft alle durch die 
Schönheit und Seltsamkeit ihrer Tropfstein geb ilde. Staunend folgt der Reisende 
dem Führer aus einer domartigen Halle in die andere, aus einem Gange in den 
andern, von einem Tropfsteinwunder zu einen: noch überraschendern Phantasie¬ 
gebilde des Gesteins. Hochauf steigen die Hallen, scheinbar getragen von weiß 
ichillernden Halb- und Ganzsäulen, während wunderliche Arabeskenfigurcn 
Wände und Decken zieren. Im Tanzsaal halten die Bauern im Sommer beim 
Fackelschein zuweilen ihre Festlichkeiten, und im Paradies hat die Phantasie der 
Natur das Höchste geleistet, was sie schaffen kann. Auf Händen und Knien ar¬ 
beitet man sich durch einen schlüpfrigen Gang, watet durch einen Bach, drängt 
sich durch enge Spalten und steht dann plötzlich in einem Feengarten voll ver¬
	        
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