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Schön Suschen steht noch wie ein Stern,
doch alle Werber sind alle fern.
Rings um sie her ist Wasserbahn,
kein Schifflein schwimmt zu ihr heran.
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,
da nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf.
Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort.
Bedeckt ist alles mit Wasserschwall;
doch Suschens Bild schwebt überall. —
Das Wasser sinkt, das Land erscheint,
und überall wird schön Suschen beweint.
Und dem sei, wer’s nicht singt und sagt,
im Leben und Tod nicht nachgefragt! Wolfgang ron Goethe.
52. Das Glück durch die Gelbwurst.
Der alte Tuchfabrikant Keller pflegte gern folgende Geschichte zu
erzählen: „Ich war erst kurze Zeit aus der Fremde zurück und hatte
mein eigenes, kleines Geschäft angefangen. Da war die Leipziger Oster¬
messe, und ich reise hin und nehme einen Kreditbrief von 1000 Spezies-
thalern mit. Das war, wenn man alle Winkelchen zusammenkehrte, mein
ganzes Vermögen; ich war aber jung und gesund, und was glaubt man
da nicht mit 1000 Speziesthalern machen zu können! Ich reise also
nach Leipzig und gebe meinen Kreditbrief im Hause „Frege und Komp.“
ab. Der alte Frege lässt meinen Namen in sein Buch einschreiben und
wünscht mir gute Geschäfte. Ich sehe aber bald, dass sich mit tausend
Thalern nicht viel machen lässt. Was thut’s? „Geht nicht viel, so geht
wenig; besser leiern als feiern,“ sagt das Sprichwort. Ich suche mir
also eine Partie Wolle aus und gehe hin, um mein Geld zu holen.
Da sagt mir der alte Frege, es sei gut, dass ich komme, er habe nicht
gewusst, wo ich wohne. Ich hatte das gerne nicht gesagt, da ich
wieder, wie einst als Handwerksbursche, in der Herberge wohnte.
„Nun,“ sagte der Herr Frege, „essen Sie morgen mittag bei mir, Sie
werden da noch grosse Gesellschaft finden.“ Ich konnte nichts Rechtes
darauf erwidern und ging weg.
Ich erkundigte mich nun, was man bei einer solchen Einladung zu
thun hat, und was dabei herauskommt. Man sagte mir, dass es Sitte
sei, dass jedes grosse Handlungshaus seine Empfohlenen durch eine
Einladung, wie man sagt, abfüttert, dass nicht viel mehr herauskommt,
als dass man das Essen teuer bezahlen muss, indem es mindestens
1*4 Thlr. Trinkgeld an die Bedienten kostet. Das war mir nun gar
nicht lieb. Ich rechnete aus, dass mir von 1000 Thalern nur noch 998 */2
blieben, und für ein Mittagsessen konnte ich nicht so viel aufwenden.
Andern Mittags war ich kurz entschlossen. Ich kaufte mir für 20 Pfennige