242
reiste er kurz vor Pfingsten nach der Pfalz Memleben, wo sein Vater ge¬
storben war. Hier wurde auch er schon am folgenden Tage vom Tode ab¬
gerufen. Mit großer Betrübniß vernahm das Land den Hingang des großen
Kaisers. „Das Volk sprach viel zu seinem Lobe," sagt Widukind, „in dank¬
barer Erinnerung, wie er mit väterlicher Milde seine Unterthanen regiert
und sie von den Feinden befreit, die übermüthigen Feinde, Ungarn, Saracenen,
Dänen und Slaven mit Waffengewalt besiegt, Italien unterworfen, die
Götzentempel bei den Heiden zerstört und christliche Kirchen und geistliche
Ordnung aufgerichtet habe." Darauf eilte Alles herbei, um dem bereits
gekrönten Sohne Otto TL. aufs Neue zu huldigen, und die Dienstleute leiste¬
ten den Eid der Treue und gelobten ihm Hülfe gegen alle Feinde und
Widerfacher. Der Leichnam des Heimgegangenen Kaisers wurde einbalsamirt
und unter großen Trauerfeierlichkeiten in der Moritzkirche zu Magdeburg
neben seiner Gattin Editha beigesetzt in einem marmornen Sarkophage, der
die einfache lateinische Inschrift trägt:
König und Christ war er und der Heimath herrlichste Zierde;
Den hier der Marmor bedeckt: dreifach beklagt ihn die Welt.
Seit Karl dem Großen hatte das Abendland keinen Herrscher gesehen,
der an Kraft, Geistesgröße und Thatenruhm dem Kaiser Otto an die Seite
gesetzt werden konnte. Wie jener wurde daher auch dieser schon bei Leb¬
zeiten mit dem Beinamen des' „Großen" bezeichnet, und die Verehrung und
Bewunderung von Mit- und Nachwelt ist beiden in hohem Maße zu
Theil geworden und galt bei Einem wie bei dem Andern ebensowohl der
großartigen Persönlichkeit und Herrschernatur wie den glänzenden Thaten.
Die treffliche Charakterschilderung, die der Mönch Widukind von Corvey
am Ende des zweiten Buches der „Sächsischen Geschichten" von Otto ent¬
wirft und welche Köpke und Doenniges*), in den „Jahrbüchern des deutschen
Reichs" und W. Giesebrecht in der „Gesch. der deutschen Kaiserzeit" dem
Inhalte nach mittheilen, giebt von der mächtigen Persönlichkeit und dem
imponirenden Wesen des deutschen Imperators ein anschauliches Bild:
„Der erste Blick," heißt es bei Letzterem, „ließ in Otto den gebornen
Herrscher erkennen, dem das Alter nur neue Hoheit und Majestät geliehen
hatte. Seine Gestalt war fest und kräftig, aber dabei nicht ohne Anmuth
in der Bewegung; noch in den späteren Jahren war er ein rüstiger Jäger
und gewandter Reiter. Im gebräunten Gesicht blitzten helle lebhafte Augen,
spärliche graue Haare bedeckten das Haupt, der Bart wallte lang gegen
die alte Sitte der Sachsen auf die Brust herab, die gleich der des Löwen
dicht bewachsen war. Er trug die heimische Kleidung und mied ausländischen
Prunk; auch sprach er nur seine sächsische Mundart, obschon er des Roma¬
nischen und Slavischen nicht ganz unkundig war. Sein Tag verstrich zwischen
Arbeit und Gebet, Staatsgeschäften und Gottesdienst; die Nachtruhe maß
er sich kärglich zu, und da er im Schlafe zu sprechen pflegte, schien er auch
dann zu wachen. Freigebig, gnädig, leutselig und freundlich zog er wohl
die Herzen an sich, aber doch war er mehr gefürchtet, als geliebt. Sein
Zorn, ob auch die Jahre diesen harten Sinn gemildert hatten, war schwer
zu ertragen; der alte Kaiser konnte noch streng bis zur Härte sein, selbst
der junge Kaiser bebte vor dem Groll des Löwen, wie er seinen Vater zu
nennen pflegte. Die eiserne Willenskraft, die Otto schon in seiner Jugend
*) Jahrbücher des deutschen Reiches unter Otto I. S.