Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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umgekehrtem Verhältniß zur Bildung zu stehen. Denn der Neberfluß der 
Natur selbst trägt gewiß dazu bei, die Kraft des Menschen erschlaffen zu 
machen; dagegen Kampf gegen die Natur, wenn er nicht allzu hart ist, 
fördert die Bildung. Arbeit ist die Mutter der Gesittung. 
Merkwürdig ist es, daß wir darüber in Ungewißheit sind, ob die Korn¬ 
arten der alten Welt noch wild wachsen, und in welchen Gegenden dies der 
Fall ist. Wir wissen nicht, ob die Stammpflanzen derselben gänzlich ver¬ 
schwunden sind, oder ob sie im Laufe der Zeit durch die Pflege so verändert 
wurden, daß wir sie in den Arten nicht wieder erkennen können, welchen sie 
wirklich ihren Ursprung verdanken. Dasselbe scheint vom Mais und den 
Kartoffeln in Amerika zu gelten. Dagegen wächst die Dattelpalme in 
Afrika und Arabien wild, die Cocospalme in Indien, Ceylon und ganz 
Australien, die Sagopalme im östlichen indischen Archipelagus. Auch der Brot¬ 
fruchtbaum und der Buchweizen können noch zu den Brotpflanzen gezählt 
werden, von welchen man weiß, daß sie noch in wildem Zustande vorkommen. 
120. Das Unkraut. 
Eine Plage des Landmannes ist das viele Unkraut im Garten, Ge¬ 
lände und auf den Ackerfurchen, das der schönen gereinigten Saat Raum 
und Nahrung stiehlt, so viel Mühe macht und doch mit aller Geduld und 
Sorgfalt nicht vertilgt werden kann! Die Sache ist indessen nicht so 
schlimm, als sie scheint. Denn zum ersten, so ist der Mensch nicht allein 
auf der Erde da. Viele tausend Thiere aller Art, von mancherlei Natur 
und Bedürfnissen, wollen auch genährt sein und warten auf ihre Bedürfnisse 
zu leincr Zeit. Manche von ihnen sind uns unentbehrlich und wir wissen's 
wohl; manche schaffen uns großen Nutzen, und wir wissen's nicht, und es 
muß doch wahr bleiben, woran wir uns selber so oft erinnern, daß sich eine 
milde Hand aufthut und sättigt alles, was da lebet, mit Wohlgefallen. 
Zum andern, so hat doch der Mensch auch schon von manchem Kräutlein 
Nutzen gezogen, das er nicht selber gesäet und gepflanzet, nicht im Frühlings¬ 
froste gedeckt und in der Sommerhitze begossen hat; und eine unscheinbare 
und verachtete Pflanze, deren Kraft dir oder deinen Kindern oder auch nur 
deinem Vieh eine Wunde heilt, einen Schmerz vertreibt, oder gar das Leben 
rettet, bezahlt die Mühe und den Schaden reichlich, den tausend andere 
verursachen. Aber wer stellt den Menschen zufrieden? Wenn die Natur 
nicht so wäre, wie sie ist, wenn wir Baldrian und Wohlgemuth, Ehrenpreis 
und Augentrost und alle Pflanzen im Feld und Walde, die uns in gesunden 
und kranken Tagen zu mancherlei Zwecken nützlich und nöthig sind, selber 
aussäen, warten und pflegen müßten, wie würden wir alsdann erst klagen 
über des vielbedürftigen Lebens Mühe und Sorgen. 
121. Wer streuet den Samen d 
Wenn jeder reife Kern, der sich von seiner Mutterpflanze ablöset, 
unter ihr zur Erde siele und liegen bliebe, so lägen alle aufeinander, keiner 
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