zur Beförderung guter Gesinnungen re. 65'
mine eilt weißes Handtuch, welches an der Kammerthür
hing, und worauf der Mond schien, für eine weiße Ge¬
statt gehalten hatte. Die Mutter hatte au der Kammer-
thür gehorcht, ob Wilhelmine schliefe, und indem sie
die Thür öffnete, harre sich das Handtuch bewegt. Wil-
hclmine schämte sich ihrer kindischen Furchtsamkeit, 1 und
sah seit dieser Zeit nicht wieder Gespenster.
19. Die gute Tochter.
26ilhelm war sehr krank, und seine gute Mutter hat¬
te, aus zärtlicher Besorgutß, schon drei Nächre hinter¬
einander bei ihm gewacht. Marie, seine zwölfjährige
Schwester, fürchtete, daß ihre Mutter von dem vielen
Nachtwachen endlich auch krank werden möchte. Daher
bat sie ihre Mutter herzlich, sie möchte ihr doch erlauben,
d:e vierte Nacht bei dem kranken Bruder zu wachen.
Aber die zärtliche Mutter wollte dies nicht zugeben, theils
weil Marie sehr schwächlich war, theils weil sie fürchtete,
sie möchte einschlafen, und Wilhelm dann ganz ohne
Hülfe seyn. Nun wurde es Abend, und die Mutter
mußte sich doch endlich aufs Bette legen, weil ihr vor
Mattigkeit die Augen zufielen. Marie hatte sich zwar
auch, auf Befehl ihrer Mutter, zu Bette gelegt, aber
aus Liebe und Besorgniß konnte sie nicht einschlafen.
Als sie hörte, daß ihre Mutter fest schlief, stand sie sacht
auf, nahm ihr Strickzeug, und setzte sich neben dem
Bette ihres kranken Bruders auf die Erde. Hier gab
sic genau auf ihn Acht, und so bald er sich bewegte,
war sie sogleich bei der Hand, um sich zu erkundigen
was er verlange. So trieb sie es bis au den Morgen,
und wie groß war nun ihre Freude, daß sie der guten
Mutter eine ruhige Nacht hatte verschaffen können!
Bald nachher wurde die Mutter auch krank, erholte
sich aber bald wieder; nur fehlte es ihr an Kräften.
Der Arzt hatte in Mariens Gegenwart gesagt: wenn
die Kranke nur täglich eizi wenig Wein trinken könnte,
so würde sie bald wieder zu Kräften kommen. Aber wo
sollte die arme Frau das Geld zu Wein hernehmen?
Wilhelms Krankheit hatte gar zu viel gekostet. Marie
hörte, daß in dem Hause, wo sie wohnte. Jemand ge¬
sucht würde, der das klein gehauene Holz im Keller auf-
Kinderfreund 1 Theil. E