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sichte zu waschen. „Seid Ihr wohl nach Hause gekommen?" fragte
er ihn, der über die unerwartete Erscheinung nicht wenig bestürzt
war. „Ihr wißt nun ohne Zweifel, was es an der Zeit ist, und
werdet meine Uhr, die ich Euch geliehen habe, nicht weiter brau¬
chen. Und wenn's Euch recht ist," fuhr ec fort, „so wollen wir
auch den Tausch wieder aufheben, den mit unsern Pferden; er ist
ohnehin noch nicht gerichtlich bestätigt. Gebt mir meinen Gaul
wieder und das Geld, das ich Euch dazu gegeben habe, so sind wir
quitt: der Eurige steht draußen vor der Thür!"
Was blieb dem Entdeckten Anders übrig, wenn er nicht ge¬
hängt sein wolle, als gute Miene zu machen und seinen Fang
wieder heraus zu geben, Uhr und Geld, und das Pferd wieder zu
satteln und zu zäumen, und es vor der Hausthür am Zügel zu
halten, bis sein Eigenthümer mit aller Bequemlichkeit aufgestiegen
war? — Dieser aber sagte beim Aufsteigen: „Nicht wahr, mein
Freund, das Thierlein lauft einen guten Trab? Ihr hättet damit
rasch zum Galgen galoppiren können; und es hat nicht viel daran
gefehlt!" — Aber beim Wegreiten fiel ihm noch etwas Anderes
ein. Er kehrte noch einmal zurück. „Wenn ich Euch in aller Güte
sonst womit dienen kann," sagte er zu ihm, der noch immer da
stand und nicht wußte, was er von der Sache denken sollte, „in
Gottes Namen! ich wohne da und da: so kommt morgen zu mir
und sagt, woran's Euch eigentlich gebricht."
Und damit ritt der wackere Mann nach Hause, und hat da¬
durch wirklich eine Menschenseele vom Verderben gerettet. Denn
der Unglückliche hatte sich durch einen leichtsinnigen Streich zu
Grunde gerichtet und, wie es so zu gehen pflegt, wenn man ein¬
mal im Zuge ist, durch einen noch leichtsinnigeren sich wieder in
bessere Umstände setzen wollen. — Das geschah nun wirklich, aber
durch Gottes Fügung, die ihn in die Hände des menschenfreund¬
lichen Bürgers fallen ließ, auf einem anderen Wege, als er sich
selbst ausgedacht hatte.
* 144. « Eine Frage.
Wer lehrt die Vögel singen, so süß und mannigfach
Und Hirsch' und Rehe-springen im grünen Buchenwald?
Wer hei-ßt die Winde wehen, bald stürmisch und bald leis^
Die Jahreszeiten gehen im wundervollen Kreis?
Und wer die Bächlein gleiten herab von steiler Höh',
Und stolz die Ströme schreiten zur weiten tiefen See?
Wer hat den Tag gezieret mit gold'nem Sonnenschein?
Und wer am Himmel führet die gold'nen Sternelein,
Daß sie gleich guten Kindern still gehen Ihre Bahn,
Und nicht einander hindern, und nicht sich stoßen an?