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ein Kloster, die am höchsten gelegene Menschenwohnung in der Schwei;.
Die Gegend um das Kloster ist sehr rauh, der Schnee bleibt 8 bis
9 Monate lang liegen, und selbst in den wärmsten Sommermonaten
friert es fast jedesmal gegen Morgen. Hier wohnen 10 bis 12 Mönche,
deren einziges Geschäft es ist, die Reisende i unentgeltlich zu bewirthen
und ihnen alle Hülfe angedeihen zu lassen. In den Monaten, in
welchen Schnee, Nebel, Ungewitter und Lawinen den Weg gefährlich
machen, streifen die Mönche oder ihre Diener täglich umher, um Ver¬
irrte aufzusuchen oder im Schnee Versunkene zu retten. Schon viele
Jahre her bedienen sie sich zur Rettung der Unglücklichen auch beson¬
ders abgerichteter Hunde, welche entweder allein ausgehen oder die
Mönche begleiten. Sobald einer derselben einen Verunglückten aus¬
gewittert hat, kehrt er im schnellen Laufe zu seinem Herrn zurück, und
gibt durch Bellen, Wedeln und unruhige Sprünge seine gemachte Ent¬
deckung kund. Oft hängt man diesen Hunden ein Fläschchen mit
Branntwein oder andern stärkenden Getränken und ein Körbchen mit
Brod um den Hals, um es einem schwachen, ermüdeten Wanderer
der nicht mehr weiter konnte, zur Erquickung und Stärkung darzubieten.
Bekannt ist unter diesen Hunden einer Namens Barry, der 12 Jahre
lang unermüdet war im Dienste der Menschheit, und allein mehr als
40 Menschen gerettet hat. Der Eifer, den er hierbei bewies, war
außerordentlich. Sobald gefährliche Witterung sich einstellte, hielt ihn
Nichts mehr im Kloster zurück, sondern er strich rastlos und bellend
umher, um einen Sinkenden zu erfassen oder einen Verschneiten her-
vorzuscharren. Einen erstarrten Knaben beleckte er so lange, bis der¬
selbe zu sich kam und sich ihm endlich auf den Rücken schwang. Als
er alt geworden war, sandte ihn der Prior nach Bern, um für den
Rest seiner Tage ihm Ruhe zu gönnen. Nach seinem Tode wurde
seine Hülle ausgestopft und in dem Museum der Naturgeschichte zu
Bern aufgestellt, wo ihn jeder Reisende noch bis auf den heutigen
Tag mit seiner Flasche und seinem Halsbande sehen kann. Merkwürdig
ist, daß die Leichen der Verunglücktem viele Jahre in einer dazu be¬
stimmten Halle ausgestellt bleiben können, ohne zu verwesen, oft ohne
nur im mindesten entstellt zu sein. — Auf der Ostseite des Klosters
steht die kleine, hübsche Kirche, worin sich das Denkmal eines in der
Schlacht bei ^Marengo gebliebenen französischen Generals befindet.
Denn vor jener Schlacht war der Kaiser Napoleon zum Erstaunen
seiner Gegner mit einem Heere von 30000 Mann mit Kanonen und
allem Gepäck über diese Alpenstraße gezogen.
5Der Vierwaldstätter See.
Einer der herrlichsten Seen in der Schweiz heißt der Vierwald¬
städter. ^ Seine Ufer werden alljährlich von zahlreichen Fremden be¬
sucht, die benachbarten Berge bestiegen, der See selbst befahren, - und
die merkwürdigen Orte umher betrachtet. Nichts ist da merkwürdiger,
als Was an den Wilhelm Tell erinnert. Dieser, ein schlichter Land¬
mann war vor mehr als 500 Jahren einer der vorzüglichsten Urheber
der Freiheit, welche die Schweiz noch jetzt genießt. Des harten Kai¬
sers noch härterer Landvogt hatte nämlich auf dem Markte des Städt-