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die ungewisse Zukunft so niedergedrückt, daß sie fast verzweifelte.
Gerhard aber tröstete sie Mtt dem schönen Spruche: „Befiehl dem
Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl
machen! —" Hierauf ging er in den Garten und dichtete über
jenen Spruch ein vortreffliches Lied, das er seiner Frau zu ihrem
Troste brachte. Als er nun in das Zimmer zurückkehrte, waren in¬
dessen noch zwei andere Fremde angekommen, die sich, ohne ihn zu
kennen, mit ihm in ein Gespräch einließen und ihm erzählten, sie
sollten auf Befehl des Herzogs Christian zu Sachsen-Merseburg nach
Berlin reifen, um einen abgesetzten Prediger, Namens Gerhard,
aufzusuchen und zu dem Herzoge zu bringen, der ihn versorgen wollte.
Man denke sich das freudige Erstaunen der unglücklichen, flüchtenden
Familie bei dieser unerwarteten Nachricht! — Herzog Christian gab
dem Vertriebenen sogleich ein gutes Jahrgeld und beförderte ihir
einige Zeit nachher zu einem ansehnlichen geistlichen Amte nach
Lübben in der Niederlausitz. Jenes schöne Lied aber, welches bei
einer so traurigen Veranlassung entstanden war, kam nach einiger
Zeit dem Kurfürsten von Brandenburg zu Gesichte; er las es mit
großem Wohlgefallen, fragte, wer doch der Verfasser davon wäre,
und da er hörte, daß es Paul Gerhard sei, bedauerte er gar sehr,
einen so frommen Mann nicht in seinem Lande behalten zu haben.
Aus: Lesebuch f. Prcuß. Schulen.
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Hier folgt nun das schöne Lied selbst, das schon viel tausend Un¬
glückliche und Betrübte wieder aufgerichtet, getröstet und mit Ver¬
trauen auf Gott, Muth im Leiden und fröhlicher Hoffnung erfüllt hat.
34. Desiehl dem Herrn -eine Wege!
A4. B e fi e h l du deine Wege,
und was dein Herze kränkt, der
allertreusten Pflege deß, der den
Himmel lenkt: der Wolken, Luft
und Winden gibt Wege, Lauf
und Bahn, der wird auch Wege
finden, da dein Fuß gehen kann.
2. Dein Herrn mußtduver-
traucn, wenn dir's soll wohl er¬
gehn; auf sein Werk mußt du
schauen, wenn dein Werk soll be¬
stehn : mit Sorgen und mit Grä¬
men und mit selbst eigner Pein,
läßt Gott sich gar nichts nehmen,
es muß erbeten sein.
3. Dein' ew'ge Treu und
Gnade, o Vater, weiß und sieht,
was gut sei oder schade dem sterb¬
lichen Geblüt: und was du d§nn
erlesen, das treibst du, starker Held,
und bringst zum Stand und We¬
sen, was deinem Rath gefällt!
4. Weg' hast du allerwegen,
an Mitteln fehlt dir's nicht; dein
Thun ist lauter Segen, dein Gang
ist lauter Licht: dein Werk kann
niemand hindern, dein' Arbeit
darf nicht ruh'n, wenn du, was
deinen Kindern ersprießlich ist,
willst thun.