282 
ist es trinkbar; alle Salztheile und Bitterkeiten des Meerwassers sind von ihm 
geschieden. Man findet es rein, durchsichtig wie Krystall, obgleich es durch die 
Kälte in Eis verwandeltes Meerwasser ist. 
Naht man sich dieser Eiswelt mit ihren Höhen, Thälern und Abgründen, 
so wird ihre Nähe schon auf einige Meilen durch ihren Glanz, der sich am 
Horizonte verbreitet, angekündigt, den man Eisblick nennt. Bald flattern auch 
Scharen schneeweißer Sturm- oder Eisvögel umher, Vorboten des Eises. 
Bald ist man nach allen Seiten hin von ungeheuren Eisschollen umgeben, vor 
denen das Grundeis schwimmt. Weiterhin erblickt man wandernde Eisfelder, 
hin- und herwogende Inseln, von Eis gebildete Felsmassen. Dergleichen Eis¬ 
felder, mit einer wunderbaren, durch die sonderbarste Oberfläche sich auszeich¬ 
nenden Seltenheit, von mehreren Meilen, von einer mehr, als hundert Fuß 
über dem Wasserspiegel aufgethürmten Höhe, sind keine ungewöhnliche Erschei¬ 
nung. Die kleinsten Eismassen, die tiefer im Wasser gehen, als sie sichtbar über 
demselben erscheinen, ragen noch über die größten Schiffe empor. Der acht 
Monate lang dauernde Winter dieser Gegenden baut Eisgebirge, die der kurze, 
kraftlose Sommer nicht schmelzen und in Wasser verwandeln kann. Stoßen 
die schwimmenden Eismassen an einander, so entsteht ein Getöse, daß man die 
Worte des Nahestehenden nicht hören kann. Oft bricht zwischen den Eisbergen 
ein Feuer aus, welches durch die Heftigkeit des Drucks des zerriebenen und 
dabei entzündeten Holzes verursacht wird. Eisfelder stürzen mit Krachen in 
großen Trümmern ein. Die Spitzen losgelöster Eisberge rollen und fallen 
in'sMeer, und es geräth dadurch in eine so heftige Bewegung, daß seine auf¬ 
gethürmten Wogen in einer beträchtlichen Entfernung noch Kähne verschlingen. 
Selbst den Schiffen, die in der Nähe sind, droht der Umsturz. Das Meer un¬ 
tergräbt durch sein Wellenschlägen den Fuß dieser Gebirge, höhlt ihre Grund¬ 
lagen aus, indeß der Gipfel an Last zunimmt, bis das Gewölbe unter ihm 
reißt und ihn zum Hinabfallen zwingt. 
Ohne diese Zerstörungen der mächtigen Naturkräfte würden die Eisfelder 
bald zu den höchsten Gegenden der Erde sich erheben. Hier, wo man Stille 
und Tod ahnet, hört es nicht auf zu knallen, zu donnern, zu toben und zu 
krachen. Aber so ist die Natur; da, wo sie ohne reges und thätiges Leben zu 
sein scheint, zeigt sie sich am wirksamsten und thätigsten, schafft unaufhörlich 
neue Scenen, Gestalten, Gemälde und läßt den Zuschauer glauben, bei ihren 
Schöpfungen gegenwärtig zu sein. Da steigen plötzlich Berge empor; dort son¬ 
dern sich Thäler; hier breiten sich Meerbusen aus; da entstehen Grotten; 
Thürme werden aufgeführt u. s. w. Man sieht die ungeheuersten Eispfeiler, 
Säulenordnungen, glänzend wie Smaragd, freie, schwebende Gewölbe und in 
der höchsten Luftregion Brücken, die eine Zaubermacht erbaut zu haben scheint. 
Da sind finstere Höhlen, dunkle Abgründe, in die kein Sonnenstrahl dringt. 
Ganze Gegenden sind mit allen Regenbogenfarben geziert und erleuchtet. 
Kurz, in ein Feenland scheint man versetzt zu sein. Diese Eisgefilde werden 
.von Seehunden und Seerobben bewohnt, die im strengsten Winter auf dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.