6. Das Bild Karls des Großen; sein Tod. 231
einschlug und viele andere Vorzeichen, die aber der Kaiser nie achten wollte,
hatten, glaubte man, seinen Tod seit etlichen Jahren verkündet. Der Leich¬
nam wurde einbalsamiert und in der Marienkirche zu Aachen bestattet. Über
dem Grabe errichtete man einen vergoldeten Bogen mit Karls Bilde und den
Worten: „Hier unten liegt der Leib Karls, des großen recht¬
gläubigen Kaisers, der das Reich der Franken herrlich vergrößert
und siebenundvierzig Jahre hindurch glücklich regiert hat. Er
starb ein Siebziger im Jahre des Herrn 814, in der siebenten
Jndiktion, am 28. Januar."
In der Mitte des Achtecks des Aachener Doms, des ältesten Kerns
dieser Kirche, bezeichnet eine flache Kalksteinplatte am Boden mit eingelegten
Metallstreifen und der Metallinschrift „Carolo Magno“ heute die Stelle,
unter welcher des Kaisers Gebeine geruht haben sollen. Fast zweihundert
Jahre später, im Jahre 1000, ließ der phantastische Otto III., dessen
leuchtendes Vorbild der große Karl war, das Grab desselben wieder öffnen,
um seine irdischen Reste andächtig zu betrachten. Da die kühnen normannischen
Seefahrer, welche wiederholt die nördlichen und westlichen Küsten Deutschlands
mit ihren Plünderungszügen heimsuchten, auch Aachen nicht verschont und das
Innere des dortigen Münsters verwüstet hatten, so hatte man die Erinnerung
verloren, an welcher Stelle Karls Leib ruhte. Otto ließ jene Stelle aufsuchen
und fand sie glücklich. Es war nichts mehr vorhanden als Gebeine und
sonstige uuverweste Überreste, die in einem königlichen Sarkophage lagen. Das
goldene Kreuz, welches an dem Halse hing, nahm er an sich mit einem Teile
der noch nicht verwesten Gewänder, das übrige legte er mit großer Verehrung
zurück und ließ das Grab wieder schließen. Fm Jahre 1165 ließ Friedrich
Barbarossa die Gruft abermals öffnen und die Gebeine in einen neuen, mit
Gold und Edelsteinen reich geschmückten Kasten bringen und, da Karl der
Große vom Papste Paschalis III. heilig gesprochen war, vor dem Hochaltar zur
Verehrung der Gläubigen aufstellen. Jener Kasten wird ebenfalls heute noch
gezeigt. Bei einer dritten Öffnung durch Friedrich II. im Jahre 1215 wurden
die Gebeine (Schädel, Armknochen und Hüfthorn) in eine kostbare silberne,
mit Edelsteinen besetzte Truhe verschlossen, in welcher sie noch jetzt in der
Sakristei aufbewahrt werden. Krone, Scepter und kaiserliche Gewänder
wurden die Krönungsinsignien der deutschen Kaiser und werden heute noch
in der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien verwahrt, da sie bei Franz II.
zum letztenmal in Anwendung kamen. Die Krone soll freilich nicht von
Karl dem Großen herstammen, sondern erst dem elften Jahrhundert an¬
gehören.
Drei Jahre vor feinem Tode hat Karl, „damit ein jeder wisse, was ihm
zukomme, und nicht Streit und Hader wegen der Teilung entstehe", sein Testa¬
ment über die fahrende Habe gemacht. Alles Geld, Geräte und Kostbarkeiten
wurden in drei gleiche Teile geteilt, von denen die beiden ersten zu gleichen
Teilen unter die 21 Erzbischöfe des Reiches — darunter die von Mainz, Köln,
Salzburg, Trier, — zur Verteilung an die Kirche, das dritte Drittel aber zu
vier gleichen Teilen unter die Kirche, die Söhne, Töchter und Enkel, die
Armen und die Palastdienerschaft verteilt werden solle. Der Erlös der
zahlreichen kostbaren Bücher sollte ganz für die Armen bestimmt fein.