Die Literatur.
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F. Die Literatur.
l. Die Dientkunst. a) Das Epos. Die Lieder von Siegfried und den Bur-
gunden wurden am Wiener Hofe noch vorgelesen, nachdem sie am Rheine
bereits von der hötischen Epik verdrängt waren. Das Nibelungenlied hat ver-
mutlich in Osterreich, die Cudrun in Steiermark die endgültige Gestalt ge-
wonnen; dem letzteren Lande entstammt auch das lange Heldengedicht Biterotj
und Dietleib, Tirol dagegen u. a. der Große Rosengarten, Orinit, Hug. unòd
Wolfdietrich. Alle diese Dichtungen gehören den ersten Jahrzehnten nach
1200 an.“
Wahrend in der ersten Halfte des 11. Jahrhunderts die deutsche Dich-
tung ganz in den Handen weltlich gesinnter Spielleute lag, rief der Investitur-
kampf in den Alpenländern die ersten geistlichen Dichtungen in deutscher
Sprache hervor. Das altesste deutsche Literatur- Denkmal im ganzen Reiche
ist die Kärntner Cenesis (um 1080), etwa 50 Jahre spater war Frau Ava,
die alteste deutsche Dichterin, tätig. Außerdem entstanden Marienlieder, ge-
reimte Legenden u. a.
Die großen nhöôfischen Epiker wurden auch in Osterreich gerne gelesen.
Ein hervorragendes Werk ist der Meier Helmbrecht von Vernnher dem Gärtner,
die erste deutsche Dorfgeschichte (um 1250); der Dichter schildert darin
die Vberhebung der oberösterreichisgchen Bauern (S. 177) und die Entartung
des Ritterstandes. Wahrend keiner der groben höfischen Epiker dem Donau-
staate angehört, schreitet Steiermark in der biographischen Eræuhlung dem
ubrigen Deutschland voran. Hier verfaßte nämlieh Ulrich von Liechtenstein
den „Frauendienst“, der in Kürze seine Erziehung und selir eingehend seinen
Minnedienst behandelt. Das Intęresse an der Geschichte rief deutsche Reim-
chroniben ins Leben; als Verfasser von solchen sind besonders zu nennen:
Rudolf von Ems, der eine, Weltehronik“ schrieb, sein Zeitgenosse, der Wiener
sJans (f um 1250), der außer einer Weltechroniß auch ein Fürsstenbuch dich-
tete, endlich der Steirer Ottobar, der eine sehr ausführliche, kulturgeschicht-
lich wichtige Darstellung der österreichisch-steirischen-kärntnerischen Ge-
schichte bis zum Beginne des 14. Jahrhunderts verfaßte.
6) Die Lyrik. Auch die Lyrik wurde in unseren Alpenlundern eifrig
gepflegt. Oberösterreich gehören zwei der frühesten Minnesunger an, nàmlich
der Kurenberger und Dietmar von Aist. Zu ihrer Zeit (12. Jahrhundert) ist
Reinmaur von Hagenau nach Osterreich gekommen und hat Walter von der
Vogelueide zu singen angefangen; mit jenem beginnt bei uns die Blüte der
höfischen Lyrik, dieser bezeichnet den Gipfel des Minnegesanges überhaupt.
Beide lebten eine Zeitlang am Wiener Hofe, der sich seit Leopold V. durch
eifrige Pflege der Dichtkunst auszeichnete. Andere berühmte Minnesanger
waren Leutold von Sòben, Ulrich von Liechtenstein und Zachuus von Himmel.
berg. Zeitgenossen von ihnen waren Neidhart von Reuental und der Tann
nauser, die ihre Stofle dem bauerlichen Leben entnahmen, Ain Eude des
13. Jahrhunderts verstummte bei uns der Minnegesang.
Bis ins 14. Jahrhundert hinein herrscht in Osterreich Vorliebe für die
Namen der Helden des Volksepos.