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78. Die Schreckensherrschaft.
Die Gemäßigten hatten an der Revolution bisher mitgearbeitet und
sich nur den ärgsten Greueln zu widersetzen gewagt. Um nicht ihr eigenes
Werk verleugnen zu müssen, hielten sie hartnäckig, allem Augenschein zum
Trotz, an ihrer Meinung fest, daß die Aufregung sich legen und alles noch
ein gutes Ende nehmen werde. Desto größer war der Schreck, als sie end¬
lich aus ihrem Traume gerissen wurden. Und es lebte in ganz Frankreich
eine große Menge von Menschen, welche das höllische Treiben der damaligen
Gewalthaber mit Abscheu betrachteten. Durch ihre Zahl konnten sie diesen
leicht gefährlich werden. Nur durch neues Blutvergießen konnten die Blut¬
menschen sich in der Gewalt erhalten. Mit Hülfe des Pöbels wurde ein Re¬
volutionsgericht eingesetzt, welches nachspüren sollte, wo noch Leute wären,
die es mit dem Könige gehalten hatten. Robespierre, Danton und Marat
standen an der Spitze. Jetzt war es, als ob die Hölle ihre Pforten öffnete
und all ihr Entsetzen über das arme Frankreich ausgoß. Das Blut floß in
eigentlichem Sinne in Strömen. Die Scharfrichter ermüdeten in ihrer Ar¬
beit. Eine eigene Köpfmaschine, die Guillotine oder das Fallbeil, wurde
hergestellt, damit das Morden erleichtert werde. Tag für Tag war das In¬
strument in Thätigkeit: Scharen auf Scharen fielen als Opfer: aber die
Männer des Schreckens schienen unersättlich zu sein. Marat that es allen
zuvor. Noch 300,000 Köpfe müßten fallen, ehe Frankreich glücklich werde,
meinte er. Da wurde er mitten auf seinem blutigen Wege selbst ins Ver¬
derben gerissen.
Charlotte Cordap, ein Mädchen von feurigem Sinn und starkem
Willen, glaubte ein gottgefälliges Werk zu thun, wenn sie ihr Vaterland von
einem Ungeheuer befreie. Heimlich verließ sie ihre Eltern, die in der Nor¬
mandie wohnten, und reiste nach Paris. Bei Marat erhielt sie Zutritt, weil
sie angab, daß sie ihm einige Verräther in der Normandie namhaft zu
machen habe. Sie wurde zu ihm geführt. Sobald die Gelegenheit günstig
war, holte sie unbemerkt ein langes Messer hervor und stieß es rasch dem
Bösewicht ins Herz. Auf das Geschrei des Verwundeten kamen die Haus¬
genossen zusammen. Charlotte ließ sich ruhig gefangen nehmen und auf das
Schaffst führen. Sie behielt ihre Ruhe bis zu dem letzten Augenblick und
starb in der Verblendung, daß sie durch Meuchelmord nur Gottes Willen
an einem Ungeheuer vollbracht habe.
Nach der Hinrichtung des Königs hatten Engländer, Spanier und an¬
dre Völker den Krieg an die Republik erklärt und drangen nebst den Ostreichern
und Preußen siegreich in Frankreich ein. Bei ihrer Ankunft standen einige
Provinzen auf. Die Gefahr war groß. Niemand wußte zu helfen. Da
schaffte Danton noch einmal Rath. „Das Vaterland ist in Gefahr," rief er,
„ganz Frankreich muß aufstehen wie ein Mann." Das Wort zündete, wie
ein Blitz. Das ganze Land wurde in eine Kriegswerkstätte verwandelt.
Die Alten schmiedeten Waffen; die Frauen nähten Kleider; die Kinder zupften
Charpie. Die junge Mannschaft eilte schnell herbei und ergoß sich strom¬
weise an die Grenze, als ginge es zu einem lustigen Tanze. Eine neue Art,
Krieg zu führen, kam auf: ein General mußte entweder siegen oder auf der
Guillotine sterben. Menschen brauchte er natürlich nicht zu schonen; denn
ein Menschenleben hatte keinen höhern Werth, als die Fliege an der Wand.
Der Konvent aber erreichte seinen Zweck. In ungezählten Scharen wurden
die Soldaten gegen den Feind geführt. Waren ganze Reihen niedergeschmet¬
tert , so wurden neue Scharen über die Haufen von Leichen in den Kampf
geführt. Solchem Angriff konnten die Verbündeten, die schlecht geführt.
UnWi